Sind Employer of Record – Lösungen rechtlich zulässig?
Mitarbeiter im Ausland zu beschäftigen ist technisch problemlos möglich. Rechtlich stellt diese Konstellation für Arbeitgeber in Deutschland allerdings eine enorme Herausforderung dar. Mittlerweile bieten sog. Employer of Record – Anbieter (kurz: EOR) hierfür eine rechtliche Lösung an. Doch ist diese Lösung rechtlich auch tatsächlich zulässig? Was sind die Vor- und Nachteile für Arbeitgeber? Wie ist eine EOR-Lösung überhaupt konkret ausgestaltet?
1. Was ist das Problem?
Unternehmen stehen in Deutschland oftmals vor dem Problem auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen zu sein. Entweder, weil die Mitarbeiter mehrere Monate auf ihr Visum warten müssen, bis sie nach Deutschland einreisen dürfen. Oder aber, es soll ein Mitarbeiter dauerhaft vom Ausland aus arbeiten. Gerade für den letzteren Fall gibt es vielfältige Gründe. Ein Grund betrifft vor allem Unternehmen aus der Digital- und Softwarebranche. Sie sind auf bestimmte hochqualifizierte Fachkräfte angewiesen (z.B. Softwareingenieure), die es in Deutschland aufgrund des Fachkräftemangels oder besonderer branchenspezifischer Fachkenntnisse gar nicht gibt.
Softwareentwickler, Programmierer, UX/UI Designer, Webdesigner sind alles Berufe dich sich ohne weiteres von jedem Ort der Welt aus ausüben lassen. Umgedreht gilt dies natürlich auch, wie ich in diesem Beitrag bereits beschrieben habe. Unternehmen aus dem Ausland stellen Fachkräfte in Deutschland an, die hier leben und arbeiten.
Fully Remote Work, Homeoffice Abroad, Telearbeit oder auch grenzüberschreitendes Homeoffice sind in der Digitalbranche keine Ausnahme, sondern gelebte Wirklichkeit.
Dabei stehen alle Unternehmen weltweit rechtlich vor dem gleichen Problem: Sie müssen den Arbeitnehmer in dem jeweiligen Land steuer- und sozialversicherungsrechtlich registrieren und zahlreiche Deklarationspflichten erfüllen. Juristisch ist die Umsetzung solch eines Anstellungsverhältnisses komplex und demnach mit verschiedenen Risiken behaftet. Welche Rechtsfragen bei solchen Konstellationen auftreten habe ich bereits in mehreren Blogbeiträgen beschrieben (hier, hier).
Weil das gerade für kleine und mittelständische Unternehmen administrativ nur schwer umsetzbar ist, bieten EOR – Anbieter hierfür eine pfiffige Lösung an.
2. Employer of Record – Die rechtliche Struktur
Nun gibt es mittlerweile immer mehr internationale Anbieter auf dem (auch deutschen) Markt, die all die damit verbundenen Probleme durch einen „simplen“ juristischen Kniff lösen möchten:
Der EOR-Anbieter bietet an, den Wunschmitarbeiter im Ausland selbst anzustellen, entweder über ein Tochterunternehmen oder ein mit ihm kooperierendes Partnerunternehmen. Das Unternehmen in Deutschland „kauft“ die Arbeitsleistung dann beim EOR-Anbieter ein. Der rechtliche Arbeitgeber (daher Employer of Record) des jeweiligen Mitarbeiters ist also gerade nicht das Unternehmen in Deutschland, sondern das Tochterunternehmen des EOR-Anbieters mit Sitz im Ausland. Dem Unternehmen in Deutschland werden hierfür sämtliche Kosten (Gehalt, Sozialversicherungsbeiträge, Lohnsteuer und sämtlicher Aufwand für die Lohnbuchhaltung und Personalbetreuung) in Rechnung gestellt. Der EOR fungiert gewissermaßen als extern beauftragte Personalabteilung (HR-Abteilung) im Ausland.
Dieses juristische Konstrukt unterscheidet sich zwar im Detail je nach Ausgestaltung der AGB des einzelnen Anbieters, aber grundsätzlich gestaltet sich das EOR-Konstrukt in etwa so:
3. Ist eine Employer of Record-Lösung nach deutschem Recht zulässig?
Ob eine EOR-Lösung nach deutschem Recht zulässig ist, kann nach aktuellem Stand leider nicht einfach mit ja oder nein beantwortet werden. Denn hierbei werden ganz verschiedene Rechtsgebiete betroffen, die unabhängig voneinander zu betrachten sind, nämlich (Lohn-)Steuerrecht, Arbeitsrecht, Arbeitnehmerüberlassung und Sozialversicherungsrecht.
Aktuell finden sich jedenfalls nach meinen Recherchen weder in der Rechtswissenschaft noch in behördlichen Verlautbarungen klare Aussagen darüber, ob EOR-Lösungen per se zulässig oder unzulässig sind. Vielmehr wird dies nach meinen Recherchen noch fast gar nicht diskutiert.
Daher möchte ich in diesem Beitrag einmal einige Vorteile, aber auch rechtliche Risiken für Arbeitgeber in Deutschland darlegen, die mit solch einer EOR-Lösung verbunden sein können. Dieser Beitrag ist keinesfalls abschließend und über jedes einzelne Rechtsgebiet ließen sich umfangreiche Rechtsgutachten verfassen. Doch mit diesem Beitrag möchte ich Ihnen einen ersten Einblick geben, worauf es juristisch und praktisch aus meiner Sicht ankommt:
4. Vorteil – Entlastung der internen Personal- und Lohnbuchhaltungsabteilung
Gerade in jungen aufstrebenden Digitalstartups wird es oftmals noch keine etablierte Personalabteilung geben. Die Lohnbuchhaltung wird in der Regel von externen Steuerberaterkanzleien übernommen.
Ein EOR bietet hier den Vorteil, gewissermaßen als externe Personalabteilung im Ausland zu fungieren. Die Anbieter verfügen über mehrsprachige Arbeitsverträge, angepasst auf das jeweilige Landesrecht, kennen die örtlichen Deklarationspflichten von Arbeitgebern und auch die Sprachbarriere wird minimiert. Unbestreitbar ist, dass großer administrativer Aufwand so aus dem noch jungen Unternehmen erst einmal herausgehalten wird.
Die unternehmensinterne Personalabteilung muss so gerade nicht die Einhaltung ausländischer Gesetze überwachen.
5. Vorteil – Das Betriebsstättenrisiko im Ausland wird minimiert
Wenn ein deutsches Unternehmen einen Mitarbeiter im Ausland beschäftigen möchte, der dort ausschließlich von seinem Home-Office aus arbeitet, besteht das Risiko, dass dadurch im Ausland eine Betriebsstätte des Unternehmens begründet wird (sog. „Homeoffice-Betriebsstätte“). Das hätte schlimmstenfalls zur Folge, dass das Unternehmen im Ausland, die über die Betriebsstätte erzielten Umsätze im Ausland versteuern muss mit entsprechenden Buchhaltungs- und Deklarationspflichten.
Die EOR-Lösung bietet hier tatsächlich einen großen Vorteil: Wird der Mitarbeiter im Ausland von einem Unternehmen vor Ort angestellt, welches in dem gleichen Land des Mitarbeiters geschäftsansässig ist, wird hierdurch das Betriebsstättenrisiko für das deutsche Unternehmen in der Tat erheblich minimiert. Denn der rechtliche Arbeitgeber ist allein der EOR im Ausland. Das Arbeitsverhältnis besteht zwischen dem EOR und dem Mitarbeiter im Ausland, der EOR zahlt das Gehalt aus und übernimmt als rechtlicher Arbeitgeber alle Rechte und Pflichten, die ein Arbeitgeber nach den Rechtsvorschriften dieses Landes zu erfüllen hat.
Gerade deshalb ist nicht ersichtlich, warum die örtlichen Behörden gegen dieses Modell Einwände haben sollten. Den Behörden (Finanzamt, Sozialversicherungsträger) steht vielmehr ein physisches Unternehmen im eigenen Land zur Verfügung, auf das sie im Zweifel haftungsrechtlich zugreifen können und eben nicht nur ein Briefkasten oder die weit entfernte Geschäftsanschrift eines deutschen Unternehmens.
6. Nachteil – Keine Enthaftung für Arbeitgeber
Der derzeit schwerwiegendste Nachteil bei EOR ist, dass die Anbieter keine Haftung übernehmen. Oftmals wird in den AGBs ausdrücklich erklärt, dass mit der Erbringung der Dienstleistungen keine Rechts- und Steuerberatung erbracht wird. Anders als Rechtsanwälte und Steuerberater haften diese Anbieter also nicht für ihre Beratungsleistungen, die im Kern eben schon darauf abzielen Rechtssicherheit in den einzelnen Ländern zu schaffen.
Darüber hinaus, ist in den AGBs oftmals festgeschrieben, dass wenn diese Konstruktion von Behörden nicht anerkannt wird und der EOR von Finanzämtern, Sozialversicherungsträgern oder anderen Behörden in Haftung genommen wird, das Unternehmen in Deutschland alle Schäden hierfür übernehmen muss.
Ob das nur ein theoretisches Risiko ist oder sich in Zukunft tatsächlich realisieren wird, ist kaum vorherzusagen, weil es auf das Verhalten der Behörden in den einzelnen Ländern ankommt. Meines Erachtens dürften die Behörden aber wie schon beschrieben in den einzelnen Ländern keine allzu großen Einwände gegen dieses Konstrukt haben, denn es schafft Rechtssicherheit und führt zu mehr sozialer Absicherung für die Arbeitnehmer.
Vor allem: Die Alternative zum EOR ist nämlich oftmals die Beauftragung der Fachkräfte als Freelancer/Solo-Selbstständige (sog. Contractor). Das ist aus der Not heraus gewachsen, weil die Unternehmen nicht in 10, 20 oder 40 verschiedenen Ländern die mit einer Anstellung verbundenen Erklärungspflichten leisten können. Das ist schlicht und ergreifend nicht umsetzbar (außer für Großkonzerne)! Ein EOR direkt vor Ort hingegen fungiert als rechtlicher Arbeitgeber in dem jeweiligen Land. So werden die Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge vor Ort gezahlt und Arbeitnehmerschutzrechte gewahrt. Ein Gewinn also für alle Beteiligten: den Mitarbeiter im Ausland, das Unternehmen in Deutschland und die staatlichen Institutionen (Finanzamt und Sozialversicherungsträger).
Gleichwohl muss aus juristischer Perspektive festgehalten werden: Ein EOR ist für das deutsche Unternehmen eine oftmals sehr teure externe Personalabteilung, die keine Haftung übernimmt. Sämtliche Schäden, die aus der gescheiterten Konstruktion entstehen, werden dem Unternehmen (dem wirtschaftlichen Arbeitgeber) über den Rahmenvertrag (bzw. AGB) auferlegt. Dieses Risiko müssen Sie sich bewusst machen.
7. Nachteil – Ein gewisses Betriebsstättenrisiko bleibt eben doch …
Die EOR-Anbieter weisen in ihren AGBs zwar auch auf das Betriebsstättenrisiko im Ausland hin, übernehmen hierfür aber ebenfalls keine Haftung. Die Gefahr, durch die Anstellung des Mitarbeiters im Ausland eine Betriebsstätte zu begründen bleibt also zumindest juristisch. Auch deshalb, weil in manchen AGBs eine Klausel enthalten ist, wonach der wirtschaftliche Arbeitgeber doch als rechtlicher Arbeitgeber angesehen wird, wenn die Behörden dieses Konstrukt nicht anerkennen oder nach dem jeweiligen Landesrecht nicht zulässig ist.
Zwar kann das Betriebsstättenrisiko durch individualvertragliche Klauseln im Arbeitsvertrag und einige Compliance-Maßnahmen meines Erachtens minimiert werden, hierauf hat das deutsche Unternehmen aber in der Regel gar keinen Einfluss mehr.
Zum einen werden die Arbeitsverträge vom EOR-Anbieter vorgegeben und der gesamte Prozess wird extern zwischen EOR-Anbieter und Mitarbeiter abgewickelt.
Oftmals wird es intern im deutschen Unternehmen aber auch gar keine Sensibilisierung für die juristischen Feinheiten des Betriebsstättenrisikos bei Anstellung im Ausland geben, weil es eben ein sehr spezielles, verstecktes Risiko aus dem Unternehmenssteuerrecht ist.
8. Nachteil – EOR-Anbieter sitzen oftmals im Ausland
Viele EOR-Anbieter sitzen im EU-Ausland oder Drittstaaten. Kommt es also zum Streit (insbesondere, wenn Behörden dieses Konstrukt in Zukunft nicht anerkennen sollten) ist die gerichtliche Auseinandersetzung mit hohen Schwierigkeiten behaftet.
In den Rahmenverträgen von EOR-Anbietern finden sich nicht selten Schiedsgerichtsvereinbarungen, wonach ein Prozess nach einer ausländischen Schiedsgerichtsordnung durchgeführt werden muss. Für KMU’s in Deutschland wird das faktisch zur Folge haben, auf eine gerichtliche Auseinandersetzung zu verzichten.
Selbst wenn der Rahmenvertrag nur einer ausländischen Rechtsordnung unterliegt, ist schon die Rechtsdurchsetzung im Ausland für deutsche Unternehmen ein kostenmäßig schwer kalkulierbares Risiko.
9. Meine Empfehlung im Umgang mit EOR-Anbietern
Egal wofür Sie sich entscheiden, jeder Weg birgt Vorteile aber auch Risiken in sich. Gleichwohl sind nach meiner bisherigen Erfahrung EOR-Anbieter eine pragmatische Lösung gerade für kleine und mittelständische Unternehmen, um zumindest zeitlich begrenzt Fachkräfte im Ausland anzustellen.
- Solange die Anstellung nur für wenige Monate über einen EOR erfolgt, bis der Mitarbeiter beispielsweise nach Deutschland einreisen darf aufgrund eines Visums, gibt es sehr gute Gründe, die für einen EOR sprechen.
- Des Weiteren sollte darauf geachtet werden, dass ausländische Mitarbeiter zu den gleichen Konditionen „beschäftigt“ werden, wie inländische Mitarbeiter in vergleichbarer Position.
- Eine dauerhafte Anstellung von vielen Mitarbeitern über EORs im Ausland muss sorgfältig abgewogen werden, weil EOR-Anbieter oftmals sehr kostenintensiv sind. Hier gibt es alternative Lösungen, die es herauszuarbeiten gilt. An dieser Schnittstelle unterstütze ich beispielsweise Unternehmen beim Aufbau interner Prozesse (sog. Compliance).
- Die AGB der Anbieter sollten sorgfältig auf Haftungsfragen geprüft werden und daraufhin, wie die konkrete Konstruktion des jeweiligen Anbieters ausgestaltet ist.
Am Ende wird es eine individuelle unternehmerische Entscheidung sein, die davon abhängt, wie viele Mitarbeiter, in welchen Ländern, über welchen Zeitraum angestellt werden sollen, wie finanzstark das Unternehmen ist und nicht zuletzt, wie die interne Rechts- und Personalabteilung bereits aufgestellt sind bei diesem Thema.
Bei der Auswahl eines EOR kommen sehr viele Erwägungen zusammen, nur ein Teil davon sind ausschließlich juristische.
Als Rechtsanwältin habe ich es mir zur Aufgabe gemacht für kleine und mittelständische Unternehmen, aber auch Arbeitnehmer, Expats und Freelancer rechtliche Lösungen zu suchen, um das grenzüberschreitende mobile Arbeiten zu ermöglichen.
Wenn Sie Unterstützung bei der Vorbereitung und Koordinierung zu den hier aufgeworfenen Fragen benötigen, kontaktieren Sie mich gerne jederzeit über das untenstehende Kontaktformular oder schreiben Sie mir eine E-Mail.