Statusfeststellungsverfahren bei ausländischem Auftraggeber -sozialversicherungsrechtliche Scheinselbstständigkeit
Wenn ausländische Auftraggeber Fachkräfte in Deutschland als freie Mitarbeiter beauftragen wollen, stellt sich schnell die Frage nach der sog. sozialversicherungsrechtlichen Scheinselbstständigkeit. Oft sind es sogar die Auftragnehmer selbst, die das Thema beunruhigt, denn sie bekommen ein englischsprachiges Contractor-Agreement vorgelegt und sind sich unsicher, welche rechtlichen Konsequenzen das für sie hat.
Mit diesem Blogbeitrag möchte ich Ihnen deshalb einen kurzen Überblick geben, welche Möglichkeiten es gibt, das Scheinselbstständigkeitsrisiko als Solo-Selbstständiger (oder auch sog. Freelancer, freier Mitarbeiter, Contractor) zu minimieren.
1. Was ist die sozialversicherungsrechtliche Scheinselbstständigkeit?
Zunächst ist es wichtig zu verstehen, dass es nach deutschem Recht die sog. Scheinselbstständigkeit im Sozialversicherungs-, Steuer- und Arbeitsrecht gibt. Die Voraussetzungen unterscheiden sich in Nuancen und die verschiedenen Rechtsgebiete haben unterschiedliche Konsequenzen für die Beteiligten. „Die Musik spielt aber“ in der Regel in der sozialversicherungsrechtlichen Scheinselbstständigkeit.
In diesem Blogbeitrag finden Sie weitere Informationen zu den Unterschieden zwischen der selbstständigen Tätigkeit und der Arbeitnehmertätigkeit im Arbeits- und Steuerrecht.
Sozialversicherungsrechtliche Scheinselbstständigkeit bedeutet vereinfacht ausgedrückt, dass jemand formal als Selbstständiger (sog. Contractor) beauftragt, faktisch aber als Arbeitnehmer beschäftigt wird. Der ausländische Auftraggeber müsste also eigentlich für den Arbeitnehmer in Deutschland Sozialversicherungsbeiträge abführen, wie auch ein deutscher Arbeitgeber, das heißt für die Versicherungszweige:
- Kranken- und Pflegeversicherung
- Rentenversicherung
- Unfallversicherung
- Arbeitslosenversicherung
Tatsächlich werden diese Beiträge aber nicht abgeführt, sondern der Selbstständige (typischerweise als „Contractor“ oder „Consultant“ bezeichnet) muss sich selbst sozial absichern.
2. Was unterscheidet einen Selbstständigen von einem Arbeitnehmer?
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV), die für die Prüfung der sozialversicherungsrechtlichen Scheinselbstständigkeit zuständig ist, geht im Einklang mit der Rechtsprechung dann von einer selbstständigen Tätigkeit aus, wenn die folgenden Merkmale erfüllt sind:
- eigenes Unternehmerrisiko,
- das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte,
- die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und
- die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit.
Was das aber nun im Einzelnen konkret bedeutet hängt immer von den individuellen Umständen des Einzelfalles ab. Meine Mandanten beispielsweise sind oft sog. „Wissensarbeiter“ oder Kreative, die ihre Arbeit digital ortsunabhängig ausführen können und nur einen Laptop und eine ausreichende Internetverbindung benötigen. Sie verfügen deshalb in der Regel nicht über die „klassische“ Betriebsstätte und tragen eigentlich kaum ein finanzielles Unternehmerrisiko, weil sie keine teuren Maschinen, Lagerhallen oder Waren finanzieren müssen. Ihr Produkt entspringt allein ihrer Kreativität, ihrem Geist. Das macht die Abgrenzung bei diesen „Wissensarbeitern“ noch einmal erheblich schwieriger.
Schlussendlich kommt es auf die Details und eine Vielzahl von Kriterien an, an denen sich festmachen lässt, ob jemand selbstständig oder faktisch als Arbeitnehmer tätig ist. Sofern Sie für Ihren Fall eine Rechtsberatung wünschen, beschreiben Sie mir daher bitte im Detail Ihre geplante oder schon ausgeübte Tätigkeit.
3. Was kann mit einem Statusfeststellungsverfahren erreicht werden?
Nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV können sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer eine Entscheidung der DRV beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung (also Anstellungsverhältnis) oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Das hat – in der Theorie – den Vorteil, dass die Beteiligten von Anfang an klären lassen können, ob für die jeweilige Beschäftigung Sozialversicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber (!) abgeführt werden müssen oder nicht.
In der Praxis hingehen, dauern solche Verfahren 9 bis 12 Monate (oder sogar 1,5 Jahre!), wenn ein ausländischer Auftraggeber involviert ist. Dies führt natürlich zu Unverständnis bei den ausländischen Auftraggebern. In der Regel wird eine solche Beauftragung nicht 1 Jahr im Vorhinein geplant, sondern soll vielmehr von heute auf morgen starten. Gerade in der Digital- und Softwarebranche ist Schnelligkeit oberstes Gebot!
Leider ist dieses Verfahren die einzige Möglichkeit, um 100%-ige Rechtssicherheit für die Beteiligten zu erlangen.
4. Welche Besonderheiten gibt es bei ausländischen Auftraggebern?
Die Besonderheit bei ausländischen Auftraggebern ist, dass der „faktische“ Arbeitgeber im Ausland sitzt. Sie sind in der Regel mit der deutschen Rechtsordnung nicht vertraut und überlassen deshalb oftmals das Thema Scheinselbstständigkeit den in Deutschland ansässigen Freelancern.
Wenn Freelancer in Deutschland von einem ausländischen Auftraggeber beauftragt werden, sollten sie ihr sog. Contractor-Agreement (oftmals als Dienstleistungs- oder Beratungsvertrag ausgestaltet) deshalb sehr genau lesen! In der Regel unterliegen die Verträge einer ausländischen Rechtsordnung und enthalten deshalb Klauseln, die aus deutscher Sicht problematisch sind, beispielsweise wenn dem Auftragnehmer im Vertrag untersagt wird für andere Auftraggeber aus der Branche tätig zu werden (sog. Ausschließlichkeitsklausel).
Idealerweise lassen Sie Ihren Vertrag prüfen, bevor Sie ihn unterschreiben. Noch besser: Sie machen den ersten Aufschlag und stellen den Vertrag und nicht der Auftraggeber.
5. Wie kann eine Rechtsberatung hier unterstützen?
Wenn Sie als Freelancer für einen ausländischen Auftraggeber tätig werden wollen, kann in den folgenden Fällen eine Rechtsberatung hilfreich sein:
- Contractor-Agreement überprüfen lassen, bevor Sie den Vertrag unterschreiben, um sicherzustellen, dass nicht vertragliche Klauseln oder Vertragsbedingungen enthalten sind, die eine Scheinselbstständigkeit indizieren.
- Unterstützung des deutschen Auftragnehmers bei der Vertragsverhandlung mit dem ausländischen Auftraggeber, um deutlich zu machen, welche Klauseln nach deutschem Recht zwingend notwendig sind und warum einem Freelancer ein deutlich höheres Honorar gezahlt werden sollte, als einem Arbeitnehmer.
- Falls Sie solo-selbstständig sind, dürfen Sie als Auftragnehmer/Freelancer keinesfalls vergessen, dass Sie verpflichtet sind Rentenversicherungsbeiträge abzuführen! (weitere Details hierzu finden Sie in diesem Blogbeitrag)
- Sie sind künstlerisch tätig? Lassen Sie sich beraten, ob für Sie die Versicherung über die Künstlersozialkasse (KSK) in Frage kommt (Details hierzu finden Sie in diesem Blogbeitrag). Die KSK bietet Kreativen einen enormen finanziellen Wettbewerbsvorteil gegenüber „normalen“ Selbstständigen!
6. Sie suchen rechtliche Unterstützung?
Ich habe mich als Rechtsanwältin auf das grenzüberschreitende mobile Arbeiten sowie das Künstlersozialversicherungsgesetz (sog. Künstlersozialkasse) spezialisiert, weil ich davon überzeugt bin, dass das mobile Arbeiten nicht an rechtlichen Hürden scheitern darf.
Daher unterstütze ich kleine und mittelständische Unternehmen sowie Expats, Freiberufler, Gewerbetreibende, Künstler und Arbeitnehmer bei ihrem Vorhaben mobil zu arbeiten.
Sie benötigen hierfür Unterstützung? Schreiben Sie mir gerne eine detaillierte Email mit Ihrem Vorhaben!
Auf meinem Blog finden Sie viele Beiträge rund um das Thema grenzüberschreitendes mobiles Arbeiten (sog. Global Mobility Services) sowie zur Künstlersozialkasse.
Das sagen Mandanten über meine Arbeit.
7. Sie sind Steuerberater/in?
Sie sind als Steuerberater/in im Bereich des internationalen Steuerrechts tätig? Kontaktieren Sie mich gerne!
Um meine Mandanten optimal betreuen zu können, vernetze ich mich gerne mit Steuerberatern, die die steuerlichen Deklarationspflichten für meine Mandantschaft übernehmen können und Interesse an einem fachlichen Austausch haben.
Ich freue mich über Ihre Kontaktaufnahme!
Ihre Rechtsanwältin
Romy Graske