5 Tipps, die ich gerne schon in meinem Jura-Studium gewusst hätte
Du studierst Jura oder planst, ein Jura-Studium aufzunehmen? Als ich mit 18 Jahren zum Jura-Studium ging, hatte ich natürlich noch eine ganz andere Vorstellung vom Studium und späteren Berufsleben als heute. Anlässlich der Alumni-Veranstaltung für Studentinnen und Studenten der Juristischen Fakultät in der Humboldt-Universität zu Berlin über Karrierewege im Steuerrecht habe ich darüber nachgedacht, welche Anregungen für mich rückblickend hilfreich gewesen wären. Deshalb möchte ich dir in diesem Blogbeitrag meine 5 Tipps geben, die dir für deinen Weg durch’s Jura-Studium und in dein Berufsleben vielleicht neue Denkanstöße geben.
1. Ein guter Jurist zu sein ist im echten Leben noch nicht einmal die halbe Miete!
Ein guter Jurist zu sein – das ist ohne Frage zunächst das Fundament, auf dem du deine berufliche Karriere aufbaust. Je mehr du dich im Studium mit der Systematik und Methodik des Gesetzes vertraut machst, desto besser wird dein fachliches Wissen und Verständnis für „das Recht“ sein.
Um aber dein berufliches Leben nach deinen Wünschen und Vorstellungen zu leben und langfristig nach deinen Maßstäben erfolgreich zu sein, braucht es weit mehr.
a. Definiere dein berufliches Ziel – Was ist für dich Erfolg?
Zunächst solltest du daher definieren, was für dich beruflicher Erfolg ist oder mit anderen Worten: Wo willst du hin? Deine Definition von Erfolg wird sich im Laufe der Zeit wahrscheinlich noch häufig ändern. Aber wie sagte Seneca schon einst so schön:
„Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.“
Das Jura-Studium stellt das eigene Durchhaltevermögen des Öfteren auf die Probe. Wenn du dich in den schwierigen Phasen (z.B. in der Examensvorbereitung) immer wieder daran erinnerst, warum du dich dieser Herausforderung eigentlich aussetzt, ist es leichter durchzuhalten und am Ende das Studium erfolgreich zu meistern. Hast du für dich definiert, wann du beruflich erfolgreich bist, dann geht es an die Umsetzung.
b. Wissen aneignen fernab von Jura!
Willst du beispielsweise frei und unabhängig als selbstständiger Rechtsanwalt arbeiten, musst du lernen wie ein Unternehmer zu denken und zu handeln. Am Anfang musst du deine Leistung nämlich erst einmal verkaufen. Hierzu gehört, ein Verständnis für Vertrieb, Marketing und Finanzen zu entwickeln, aber auch Selbstbewusstsein und Durchsetzungskraft aufzubauen, um dich im Rechtsmarkt zu behaupten. Gesundheit, Ernährung als Grundlage für körperliche und geistige Fitness gehören aber auch dazu! Das mag für dich vielleicht erst einmal wie eine Platitüde klingen. Aber das Studium und auch das Berufsleben werden dir viel abverlangen und beides ist kein Sprint, sondern ein Marathon. Wenn du dich nicht nur auf das Lernen von Meinungsstreits und Definitionen konzentrierst, sondern wie ein Sportler deinen Geist und Körper trainierst, wirst du wesentlich erfolgreicher, gesünder und damit leichter durch die Examensvorbereitung und später das Berufsleben kommen.
Gerade diese mentalen Werkzeuge stehen im rechtswissenschaftlichen Studium natürlich nicht im Lehrplan, darum geht es in der Rechtswissenschaft auch nicht.
Bilde dich deshalb frühzeitig (!) auch in diesen Bereichen fort, um deine gesteckten beruflichen Ziele zu erreichen und verlass‘ dich nicht einfach nur auf dein Studium und dein Examen.
Tipp: Höre Podcasts, Hörbücher, lies Bücher rund um die Themen Unternehmertum, Mindset-Building, Ernährung, Finanzen und Vermögensaufbau (!!!), persönliche Weiterentwicklung. Das beginnt auch schon damit, welche Themen du auf Social Media konsumierst. Dann wirst du dein berufliches Leben nach deinen Vorstellungen aufbauen können und womöglich Wege einschlagen, die dir im Studium niemals in den Sinn gekommen wären.
Aus heutiger Sicht ist das für mich der wichtigste Punkt von allen: Bilde dich selbst aus, übernimm Verantwortung für deine persönliche geistige Entwicklung und Einstellung zu Tiefschlägen.
2. Nimm dir die Zeit zu studieren!
Lass dir Zeit! Damit meine ich aber nicht, studiere möglichst lange über die Regelstudienzeit hinaus. Vielmehr: Mach dich im Detail mit der Gesetzessystematik und Methodik der Rechtswissenschaft vertraut. Du wirst vermutlich nie wieder so viel Zeit haben, dich in einem Themengebiet fortzubilden wie im Studium. Das mag für dich jetzt im Moment vielleicht wie blanker Hohn klingen, aber das Leben nach dem Studium wird noch so viel mehr rasanter (und spannender), als es das schon im vollgepackten Studium ist.
Verliere dich daher nicht in Details, wie z.B. den noch 100. Meinungsstreit im Strafrecht auswendig zu lernen. Nutze die Zeit vielmehr, um allgemeine Rechtsgrundsätze zu verstehen und auch anzuwenden. Beispiel: Wie verhalte ich mich bei einer Hausdurchsuchung? Welche Vorgehensweise ist strategisch sinnvoll im Umgang mit Behörden? Aber auch: Wie kannst du mit digitalen Tools (wie KI) deine Arbeitsweise effizienter gestalten?
Bist du in der Lage unbekannte Probleme mit einem gut geschulten Judiz anzugehen, wird dir das in der Fallbearbeitung im späteren Berufsleben wesentlich mehr helfen, als die gefühlt endlosen juristischen Meinungsstreits oder auswendig zu lernenden Definitionen.
3. Arbeite so früh wie möglich nebenher
Jedes theoretische Wissen ist wertlos, wenn du es nicht anwendest und in die Umsetzung kommst. Ich habe am Meisten (für’s Leben) gelernt, wenn ich an konkreten Fällen gearbeitet habe, ob in einer Rechtsanwaltskanzlei oder einem Unternehmen.
Suche dir frühzeitig einen Job. Aber bitte nicht irgendeinen Job! Einen Job, in dem du idealerweise dein aus dem Studium erlangtes Wissen anwenden kannst. So kannst du herausfinden, in welchem Bereich du später einmal arbeiten willst
Tipp: Wenn du noch gar nicht weißt, wo es für dich einmal hingehen soll, arbeite in mittelständisch ausgerichteten Unternehmen oder Rechtsanwaltskanzleien, wo du thematisch möglichst breit eingesetzt wirst. So findest du heraus, wofür du wirklich brennst.
Sei dabei kreativ, mutig und offen für ungewöhnliche Wege – probiere dich aus! Wenn du nach Abschluss des Studiums/Referendariats einen Vollzeitjob aufnimmst, wird es schwierig, ständig seinen Job zu wechseln und sich thematisch auszuprobieren. Arbeitgeber haben dafür eher weniger Verständnis und ab einem gewissen Punkt haben die meisten auch Angst davor, beruflich radikale Entscheidungen zu treffen (d.h. ihren Job zu kündigen), einfach aus finanziellen Gründen. In ihren 20ern haben hingegen viele noch kaum finanzielle oder persönliche Verpflichtungen. Anstatt zu überlegen, was möglichst gut in deinen Lebenslauf passt, suche dir eine Tätigkeit aus, die du nicht als Arbeit empfindest, sondern bei der du die Zeit vergisst.
Nutze die Zeit des Studiums daher, in alle Richtungen zu gehen, die dich interessieren, vielleicht auch außerhalb der klassischen Jura-Pfade (z.B. im journalistischen Bereich, Content Creator für Social-Media oder in Rechtsabteilungen in Software-Startups).
4. Geh’ raus aus der Jura-Bubble!
Eines vorweg: Ich würde mich aus heutiger Sicht immer wieder für das Jura-Studium entscheiden, es ist ein großartiges Studium, von dem man sein ganz Leben lang profitiert!
Aber… In der Jura-Bubble machen es sich junge Menschen oft auch unnötig schwer: Gemeint ist der Notendruck und damit verbundene Eitelkeiten – oder eben auch nicht, nämlich wenn die entsprechenden Noten nicht erreicht werden. Junge Menschen machen ihren Selbstwert von einer Note abhängig und davon, ob sie glücklich oder unglücklich ihr Studium und Referendariat beenden. Was für ein Wahnsinn und was für eine Lebenszeitverschwendung rückblickend betrachtet!
Im echten Leben geht es darum Probleme von Menschen und Unternehmen zu lösen. Wenn du das nicht kannst, wird niemand deine Arbeitsleistung brauchen und du wirst nichts verdienen. So einfach ist das. Kein Mandant hat je nach meinen Noten gefragt. Aber wenn du jemanden aus einer misslichen Lage holst und du nicht nur dafür bezahlt wirst, sondern die Erleichterung und Dankbarkeit zu spüren bekommst, weißt du wofür du morgens aufstehst.
Gute Noten, das „Vollbefriedigend“ sind deine Zugangskarte zu bestimmten Jobs. Manche Jobs bekommst du einfach erst ab einer bestimmten Note. Doch was ist, wenn du die Note am Ende hast und den begehrten Job bekommst, um festzustellen: Ich hasse meinen Job, es macht mir keinen Spaß und es graut mir vor jedem Montagmorgen? Dann hast du dich all die Jahre einem Druck ausgesetzt, der es am Ende gar nicht wert war? Die 20er Jahre in deinem Leben sind so wertvolle Jahre, doch im Jura-Studium verengt der Blick von jungen Menschen zu sehr nur auf Noten.
Deshalb: Verlasse regelmäßig deine Jura Bubble, hör’ auf dich mit Kommilitonen zu vergleichen, sondern geh’ arbeiten und löse echte Rechtsprobleme von realen Menschen und Unternehmen. Du wirst sehr schnell feststellen, dein Lebensglück hängt nicht von einer Abschlussnote ab. Abgerechnet wird zum Schluss, nämlich im Laufe deines Berufslebens. Und du bist der Einzige, der diese „Rechnung“ zahlen muss.
5. Baue dir ein Netzwerk auf
Jurastudenten neigen zum Einzelkämpfertum. Schließlich geht es um das Examen und die Abschlussnote und das ist am Ende eine Einzelleistung. Ob die berühmt berüchtigte Legende wirklich stimmt, dass manche Jura-Studenten in der Bibliothek Zeitschriften oder Bücher versteckten, die für eine Hausarbeit relevant waren, weiß ich nicht. Aber allein schon der aufgebaute Notendruck führt dazu, in Kommilitonen eher Konkurrenten als Teammitglieder zu sehen. Während die einen sich ständig vergleichen, entziehen sich andere komplett der „Bubble“ und meiden ihre Kommilitonen gleich ganz.
Diese Herangehensweise ist grundlegend falsch. Baue dir schon im Jura-Studium ein Netzwerk auf, in dem alle voneinander profitieren! Im späteren Berufsleben ist es extrem wertvoll, Menschen ganz verschiedener Berufe oder auch Juristen in den unterschiedlichsten Rechtsgebieten in seinem Netzwerk zu haben. Denn im wahren Leben sind Rechtsprobleme Teamaufgaben und lassen sich weniger effektiv als Einzelkämpfer lösen. Kannst du hier auf langjährige Bekannte zurückgreifen, auf deren Einschätzung du vertrauen kannst, ist das wesentlich wertvoller, als jede LinkedIn Kontakteliste.
Deine Rechtsanwältin
Romy Graske