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Pflicht zur Rentenversicherung – Ein teurer Fallstrick für Online-Coaches, Trainer, Berater, Keynote Speaker und digitale Wissensvermittler!

28 Juni 2025 | Global Mobility Law, Rechtsblog

Sie sind selbständiger Coach, Berater, Trainer, Speaker oder Moderator? Während viele Selbstständige Angst vor der sog. Scheinselbstständigkeit haben, wird dabei die Rentenversicherungspflicht trotz Selbstständigkeit häufig übersehen. Dieser Blogbeitrag soll Ihnen deshalb einen Überblick geben, wann Sie als Selbstständiger verpflichtet sind, Rentenversicherungsbeiträge zu bezahlen und wie Sie damit umgehen können.

1. Selbstständige Experten für Lernen, Entwicklung & Inspiration in der Digitalwirtschaft

Die Branche der professionellen Impulsgeber und Wissensvermittler in der Digitalwirtschaft boomt. Zum einen, weil Unternehmen und Privatpersonen zunehmend in persönliche Entwicklung, mentale Gesundheit und zukunftsrelevante Kompetenzen investieren. Zum anderen ermöglichen die Digitalisierung und Social Media für freiberufliche Coaches, Speaker und Trainer eine leicht zugängliche Sichtbarkeit, Reichweite und Skalierbarkeit.

Die Berufsbezeichnungen sind dabei sehr unterschiedlich:

  • Coach
  • Trainer
  • Moderator
  • Keynote-Speaker / Redner
  • Thought Leader
  • Expert Speaker
  • Motivational Speaker
  • Edutainer
  • Content-Speaker
  • Fachtrainer
  • Kommunikationstrainer
  • Business-Coach
  • Online-Trainer
  • Business-Mentor
  • Agiler Coach
  • Life Coach

So unterschiedlich diese Tätigkeiten auch sein mögen, so haben sie doch eines gemein: Immer wieder überrascht sind diese Berufsgruppen nämlich, wenn sie davon erfahren als „Lehrer“ unter Umständen der Rentenversicherungspflicht zu unterliegen.

2. Lehrer sind rentenversicherungspflichtig

Nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sind Lehrer rentenversicherungspflichtig, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.

Der Lehrerbegriff wird durch die DRV und die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts jedoch sehr weit ausgelegt, sodass die zuvor aufgelisteten Berufe darunter fallen können.

Beispiel: Sie bieten ein Online-Coaching Programm an und bewerben dieses durch gezieltes Content-Marketing über Social Media als Einzelunternehmer?

  • Sie vermitteln generelles Wissen, das Ihre Teilnehmer aufnehmen und rezipieren sollen?
  • Mit Ihrem Coaching-Programm beabsichtigen Sie Ihr Wissen weiterzugeben, vergleichbar einem Lehrer?
  • Ihr Programm dient dazu, Ihre Kenntnisse, Fähigkeiten, Erfahrungen und Kompetenzen auf Ihre Teilnehmer zu übertragen?
  • Die Teilnehmer Ihres Programms erwarten einen Wissens- und Erkenntnisgewinn und Ihr Programm ist auf den Erwerb eigener Problemlösungskompetenzen ausgerichtet?

Dann erfüllen Sie höchstwahrscheinlich die Voraussetzungen des „Lehrers“ i.S.d. § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Das dürfte viele digitale Wissensvermittler überraschen, denn wer die „Rentenversicherungspflicht von Lehrern“ aufschnappt, hat eher den klassischen Lehrer in der Schule vor Augen als einen Keynote-Speaker auf der OMR. Und das ist das Problem: Viele digitalen Wissensvermittler oder auch Content Creator ahnen zum Teil gar nicht, dass sie rentenversicherungspflichtig sein könnten.

„Jede Anleitung zu einem gemeinsamen Tun“ könne dabei schon genügen (so BSG, Urteil vom 23.04.2015, AZ: B 5 RE 23/14 R, Tz. 14). Es kommt nicht auf Lerninhalte, Lernziele oder das Niveau an. Auch die Qualität, Methode und Form des Unterrichts (z.B. Ort, Zeit und Anzahl der Teilnehmer), die Qualifikation des Lehrers oder die Vorbildung seiner Schüler sind unerheblich. Eine Teilnahmepflicht oder Leistungskontrolle der Teilnehmer und das Ausstellen von Zeugnissen oder Bescheinigungen sind ebenfalls nicht relevant für die Frage der Versicherungspflicht!

3. Berater sind hingegen nicht rentenversicherungspflichtig

Berater hingegen sind nicht rentenversicherungspflichtig nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI. Das hat das Bundessozialgericht entschieden (BSG, Urteil vom 23.04.2015, AZ: B 5 RE 23/14 R).

Ein Berater unterliegt dann nicht der Rentenversicherungspflicht, wenn dieser sich eher mit den spezifischen Problemen von Einzelpersonen oder Kleinstgruppen befasst. Ziel einer Beratung ist eine erfolgreiche und gelingende Problemlösung für einen individuellen Einzelfall eines Klienten.

„Während Lehrer eher generelles Wissen vermitteln, das die Lernenden aufnehmen und rezipieren sollen, gehen Berater regelmäßig auf individuelle Probleme des jeweils Ratsuchenden konkret helfend ein. Dafür analysieren Berater aufgrund ihrer fachspezifischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen typischerweise ein fachliches (Einzel-)Problem des Klienten, dem sie ihr Wissen zur Verfügung stellen und dem sie in helfender Absicht spezifische und eher individualisierte Ratschläge erteilen.“ (BSG, Urteil vom 23.04.2015 – B 5 RE 23/14 R, BeckRS 2015, 70139 Tz. 16)

Wenn Sie mit Ihrer selbstständigen Tätigkeit sowohl lehrend als auch beratend tätig sind, kommt es auf den sog. „sachlichen Schwerpunkt“ an, so das BSG, Urteil vom 23.04.2015, AZ: B 5 RE 23/14 R, Tz. 16.

„Vor diesem Hintergrund bedarf auch die vorliegend in Frage stehende Beratungstätigkeit der Abgrenzung. Zwar basiert letztlich auch sie auf einer vorhandenen Wissens- und Kompetenzdifferenz. Anders als die Lehrtätigkeit, die wesentlich auf eine Wissensvermittlung für eine unbestimmte Vielzahl unbestimmter Anwendungssituationen geprägt ist, liegt ihr Schwerpunkt nach den bindenden Feststellungen des LSG gerade auf der Eröffnung konkreter Handlungsmöglichkeiten zu einem bestimmten Anwendungszweck.“ (BSG, Urteil vom 23.04.2015 – B 5 RE 23/14 R, BeckRS 2015, 70139 Tz. 16).

4. 30.000 EUR Nachzahlungsaufforderung durch die DRV

Sie sind als Selbstständiger verpflichtet sich bei der DRV zu melden, damit diese feststellen kann, ob Sie der Rentenversicherungspflicht unterliegen. Da nun viele gar nicht ahnen, dass sie der Rentenversicherungspflicht unterfallen könnten, droht den Selbständigen eine Nachzahlung von Rentenversicherungsbeiträgen von bis zu 30.000 EUR für die vergangenen 4 Jahre.

Warum das so ist und wie die DRV hier vorgeht, habe ich bereits ausführlich in diesem Blogbeitrag einmal beschrieben.

Bei dieser Nachzahlung geht es gerade nicht um die Feststellung einer Scheinselbstständigkeit, sondern darum, dass Sie Rentenversicherungsbeiträge zahlen müssen, obwohl Sie selbstständig sind. Diese Zahlungspflicht trifft Sie als Auftragnehmer also ganz allein. Ihr Auftraggeber unterliegt diesbezüglich keinerlei Erklärungs- und Zahlungspflichten.

Weitere Informationen zur Abgrenzung von Scheinselbstständigkeit und Rentenversicherungspflicht bei Soloselbstständigen finden Sie in diesem Blogbeitrag.

5. Was können selbstständige digitale Wissensvermittler tun?

Wenn Sie sich gerade erst selbstständig gemacht haben, melden Sie sich innerhalb von 3 Monaten bei der DRV (gem. § 190a SGB VI), zur Prüfung, ob Sie der Rentenversicherungspflicht unterliegen. So vermeiden Sie die hohe Nachzahlung von 30.000 EUR, wenn die Rentenversicherungspflicht erst Jahre später festgestellt wird. 

Sind Sie bereits seit Jahren als digitaler Wissensvermittler tätig und haben erst jetzt von der möglichen Rentenversicherungspflicht erfahren, sollten Sie vor Kontaktaufnahme bei der DRV Ihren Fall anwaltlich prüfen lassen, ob Sie tatsächlich die Tatbestandsvoraussetzungen der Versicherungspflicht erfüllen. Die DRV geht hier nämlich sehr hart vor, indem sie zunächst per Bescheid eine Zahlungsaufforderung von 30.000 EUR festsetzt, die innerhalb weniger Wochen bezahlt werden muss (!), um erst dann ausführlich zu prüfen, ob die Versicherungspflicht überhaupt gegeben ist.

Dieses Vorgehen habe ich im Detail einmal hier beschrieben.

Wichtiger Hinweis: Die Beratungsstellen der DRV leiten im Übrigen automatisch eine Prüfung ein, wenn im Rahmen der Beratung der Verdacht entsteht, es könnte eine Versicherungspflicht vorliegen. Anders als durch die DRV häufig der Eindruck vermittelt wird, sind es eben keine reinen Informationsanlaufstellen, sondern die Beratungsstellen leiten Ihre Daten an die DRV weiter, die dann eine entsprechende Prüfung Ihres Versicherungsstatus einleitet.

6. Selbstständig und nur ein Auftraggeber?

Selbst wenn Sie nicht als „Lehrer“ unter die Rentenversicherungspflicht fallen, kommt noch die Rentenversicherungspflicht in Betracht, wenn Sie auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Details zur Rentenversicherungspflicht bei Solo-Selbstständigen finden Sie hier.

7. Was ist mit Künstlern, Publizisten und Journalisten?

Wer in einem künstlerischen oder journalistischen Bereich lehrt ist zwar auch rentenversicherungspflichtig, aber über die Künstlersozialkasse nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz. Das bringt enorme finanzielle Wettbewerbsvorteile gegenüber den „normalen“ Selbstständigen mit sich (siehe Blog hier). Das Künstlersozialversicherungsgesetz folgt nämlich anderen Regeln und schreibt andere Rechte und Pflichten an Selbstständige vor, über die ich auf diesem Blog auch regelmäßig berichte (z.B. hier).

8. Sie brauchen rechtliche Unterstützung in diesem Rentenversicherungs-Wirrwarr?

Als Rechtsanwältin habe ich mich auf das grenzüberschreitende mobile Arbeiten (sog. Global Mobility Law) spezialisiert. Hierzu berate ich täglich

  • Digitalunternehmen
  • Freiberufler und Unternehmer
  • Selbstständige Künstler, Publizisten und Journalisten
  • sowie Arbeitnehmer

rund um das grenzüberschreitende mobile Arbeiten (sog. remote work). Hiervon umfasst sind auch Rechtsfragen zur Rentenversicherungspflicht bei Selbstständigen gegenüber der Deutschen Rentenversicherung und bei Künstlern gegenüber der Künstlersozialkasse. 

Das sagen Mandanten über meine Arbeit auf anwalt.de und Google.

9. Sie sind Steuerberater/in?

Sie sind als Steuerberater/in (z.B. Fachberater für Internationales Steuerrecht) im Bereich des internationalen Steuerrechts tätig? Kontaktieren Sie mich gerne!

Um meine Mandanten optimal betreuen zu können, vernetze ich mich gerne mit Steuerberatern, die die steuerlichen Deklarationspflichten für meine Mandantschaft übernehmen können und Interesse an einem fachlichen Austausch haben.

Ich freue mich über Ihre Kontaktaufnahme!

Ihre Rechtsanwältin
Romy Graske