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Business-Actor vs. Künstler: Warum die Künstlersozialkasse nicht jeden Auftritt als Kunst anerkennt

6 Aug. 2025 | KSK Künstler, Künstlersozialkasse

Künstler haben ein Problem: Wer in der klassischen Künstlerbranche, wie in Theatern oder auf Bühnen tätig ist, ist zwar unzweifelhaft künstlerisch tätig nach Auffassung der Künstlersozialkasse, die Einkünfte sind aber häufig überschaubar. Wer Wirtschaftsunternehmen als Auftraggeber für sich gewinnen kann, erzielt hingegen attraktive Honorare, kann hierdurch aber die Mitgliedschaft in der KSK verlieren. Warum das so ist, zeigt ein aktueller Fall in der Rechtsprechung.

Vor allem den Künstlern, die im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit aus der klassischen Kunstszene hin zu Unternehmen als Auftraggeber wechseln, kann der schleichende Verlust der Mitgliedschaft in der KSK mit empfindlichen Folgen drohen.

 

1. Aktueller Fall in der Rechtsprechung: Business-Actor ist kein Künstler

In einem aktuellen Urteil des LSG Bayern (vom 20.05.2025 – L 5 KR 206/22) entschied das Gericht:

„Ein Business-Actor, der für betriebliche Schulungen in verschiedene Rollen schlüpft, ist nicht versicherungspflichtig nach dem KSVG. Der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt in diesem Fall nicht in der künstlerischen Darstellung, sondern in dem Vermitteln der Seminarinhalte.“ (amtlicher Leitsatz).

In dem Fall ging es um einen ausgebildeten (seit über 30 Jahren tätigen) Schauspieler, der durch die ZAV an ein Unternehmen vermittelt wurde. Die Parteien schlossen einen unbefristeten Rahmenvertrag ab. Er spielte dort im Rahmen von kurzen Rollenspielen mit den Mitarbeitern des Unternehmens verschiedene Rollen, um diese für Kundengespräche zu schulen (Verkaufsgespräche, Reklamationsgespräche). In den Berufsnetzwerken Xing und LinkedIn trat der Schauspieler auch als Trainer auf und firmierte als „zertifizierter Trainer und Business-Actor“. Die KSK sowie das Sozialgericht und Landessozialgericht stuften dies als Mitarbeiterschulung ein. Der Schwerpunkt der Tätigkeit habe „nicht in der schauspielerischen Darstellung, sondern in dem Vermitteln der Seminarinhalte im Auftrag, nach den Vorgaben und für die Ziele der A GmbH bzw. deren Kundinnen“ gelegen (Tz. 26, LSG Bayern, a.a.O.). Die detaillierte Urteilsbegründung finden Sie hier.

Die Entscheidung des Gerichts führte dazu, dass dem Schauspieler die Aufnahme in die KSK verwehrt wurde.

2. Edutainer, Eventredner, Performance-Künstler, Bühnenpoet, Konzeptkünstler, Aktionskünstler, Kreativ-Performer – Was davon ist Kunst?

Für Künstler, die häufig mit Wirtschaftsunternehmen als Auftraggeber zusammenarbeiten, ist dieses Urteil eine schlechte Nachricht. Wie schon eingangs beschrieben ist es für Künstler vor allem bei Unternehmen als Auftraggebern eher möglich, attraktive Honorare zu erzielen. Solche Aufträge werden häufig auch dafür genutzt, um sich weniger lukrative Kunstprojekte finanziell leisten zu können.  

Auf dem Markt gibt es immer mehr sog. Edutainer, deren Zielgruppe Unternehmen sind. Diese Angebote enthalten häufig ein Schulungselement und/oder eine Trainertätigkeit. Entweder werden Veranstaltungen innerhalb von Unternehmen angeboten (z.B. für die unternehmenseigenen Mitarbeiter) oder auf offener Bühne als Live-Auftritte bei Panels, Meetups oder Keynotes in der jeweiligen Fachbranche.

Im Kern geht es darum Wissen und Erkenntnisse zu vermitteln, aber eben durch Inspiration und Unterhaltung auf künstlerische Art und Weise, um die Teilnehmer zu erreichen. Die Planung, Gestaltung und Durchführung solcher Veranstaltungen sind dabei so bunt wie das künstlerische Leben selbst. Während manche tatsächlich „nur“ „Mitarbeiterschulungen“ schauspielerisch begleiten, wie in dem hier beschriebenen Urteil, darf man bei anderen Veranstaltungen durchaus von einer künstlerischen Darbietung sprechen.

Das Problem: Die KSK (und die Gerichte) davon zu überzeugen, dass der Schwerpunkt in der künstlerischen Darbietung liegt, ist – je nach Fallgestaltung – keine leichte Aufgabe. Vor allem zeigt dieses Urteil wieder einmal eins: Es kommt ganz entscheidend auf den individuellen Einzelfall, auf Nuancen an, die am Ende für oder gegen die KSK-Mitgliedschaft sprechen. Das macht es für die Rechtsberatung einerseits teilweise unberechenbar, andererseits ermöglicht es bei frühzeitiger Einbeziehung von anwaltlicher Unterstützung die entscheidenden Wegweiser zu setzen.

3. Abgrenzung der Mitarbeiterschulung von einer künstlerischen Darbietung

Das Gericht hat zumindest einige Abgrenzungskriterien aufgestellt, die die Mitarbeiterschulung in Gestalt einer Trainertätigkeit von einer künstlerischen Tätigkeit unterscheiden:

  • Es kommt auf den Kontext bzw. den Gesamtzusammenhang an, in dem die streitige Leistung erbracht wird (Tz. 25).
  • Es handelt sich dann nicht mehr um eine künstlerische Tätigkeit, wenn ungeachtet der schauspielerischen Voraussetzungen und eingesetzten Fertigkeiten der Schwerpunkt der Tätigkeit nicht in der schauspielerischen Darstellung, sondern in dem Vermitteln der Seminarinhalte im Auftrag, nach den Vorgaben und für die Ziele des unternehmerischen Auftraggebers liegt. (Tz. 26).
  • Daran ändere auch der Umstand nichts, dass der Künstler durch seine schauspielerische Gestaltung die Authentizität der gespielten Situationen und damit die Effektivität der Schulungsmaßnahme erhöhen könne. Dies mache die Schulung selbst noch nicht zu einem künstlerischen Ereignis. Bei einem aus mehreren Arbeitsgebieten zusammengesetzten gemischten Berufsbild könne von einer künstlerischen Tätigkeit nur dann ausgegangen werden, wenn die künstlerischen Elemente das Gesamtbild der Beschäftigung prägen, die Kunst also den Schwerpunkt der Berufsausübung bilde. (Tz. 27)
  • „Lehre von Kunst“ ist deshalb künstlerisch, weil es Schulungsteilnehmer selbst befähigt, sich künstlerisch zu befähigen. Die Unterrichtung mit künstlerischen Elementen ist hingegen nicht künstlerisch: „Die Schulungen sollen die Teilnehmer vielmehr in die Lage versetzen, aus den dargestellten Spielszenen Erkenntnisse zu gewinnen, die sie beruflich nutzbringend für sich einsetzen können.“ (Tz. 28).

4. Wie kann eine Rechtsberatung Sie hier unterstützen?

Die zuvor beschriebenen Abgrenzungskriterien sind Leitplanken, die es zu beachten gilt. Wenn Sie befürchten, von diesem Sachverhalt betroffen zu sein, machen Sie sich bitte eines klar:

Sie dürfen gegenüber der KSK selbstverständlich keine falschen Angaben machen, aber Sie sollten auch nicht im Voraus eilenden Gehorsam davon absehen, die Aufnahme in die KSK zu beantragen.  

Ich erlebe immer wieder, dass Künstler aus Angst oder Unwissenheit meinen, nicht künstlerisch im Sinne der KSK tätig zu sein und ohne es zumindest versucht zu haben.

Ein Anwalt muss hier als Übersetzer des Künstlers gegenüber der Behörde fungieren. So jedenfalls verstehe ich meine Aufgabe als Anwältin für Künstler.

Lassen Sie Ihre Tätigkeit im Detail von einer spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei vorab prüfen, wenn Sie unsicher sind, ob der Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit als künstlerisch zu bewerten ist.

5. Risiko der Scheinselbstständigkeit – Das auch noch?!

Als wäre diese Abgrenzung in der praktischen Umsetzung nicht schon unberechenbar genug, hat das Gericht in dem entschiedenen Fall auch noch die selbstständige Tätigkeit des Schauspielers in Frage gestellt, kurzum: Das Gericht geht davon aus, der betroffene Schauspieler habe unter einer Scheinselbstständigkeit gearbeitet, weil er die Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit nicht erfüllte.

Details zur Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einem Beschäftigungsverhältnis finden Sie in diesem Blogbeitrag.

Ausgangspunkt war hier der zwischen den Parteien geschlossene Rahmenvertrag, der kritische Klauseln enthielt, die für eine Scheinselbstständigkeit sprechen.

Da immer mehr Künstler auch in großem Umfang für ausländische Auftraggeber tätig sind, kann die nachträgliche Feststellung der Scheinselbstständigkeit enorme finanzielle Folgen für die Künstler persönlich haben. Details hierzu finden Sie in diesem Blogbeitrag.

6. Worauf sollten Sie achten, wenn Sie als „Business-Artist“ tätig sind?

Die KSK wird dieses Urteil zum Anlass nehmen, bei Künstlern, deren Auftraggeber vornehmlich Unternehmen außerhalb der klassischen Künstlerbranche sind, noch einmal genauer hinzusehen.

Worauf sollten Sie daher achten?

  • Wenn Sie beabsichtigen, Ihre Versicherungspflicht von der KSK prüfen zu lassen, d.h. Ihre Aufnahme zu beantragen, lassen Sie Ihre Unterlagen vorweg anwaltlich oder von einer spezialisierten KSK-Beratung prüfen, um die richtigen Weichenstellungen zu setzen. Die Mitgliedschaft in der KSK ist ein enormer finanzieller Wettbewerbsvorteil für selbstständige Künstler gegenüber „normalen“ Selbstständigen. Hier im Vorfeld in eine Beratung zu investieren, ist langfristig betrachtet sehr gut investiertes Geld. Details hierzu finden Sie in diesem Blog.
  • Achten Sie bei der Vertragsgestaltung und der tatsächlichen Vertragsdurchführung mit Ihren Auftraggebern penibel darauf, alle Selbstständigkeitskriterien zu erfüllen. Vor allem bei ausländischen Auftraggebern ist besondere Vorsicht geboten. Details hierzu finden Sie in diesem Blogbeitrag.
  • Wenn Sie bereits langjährig Mitglied in der KSK sind, sich Ihr Tätigkeitsschwerpunkt geändert hat, aber Sie dies der KSK bisher nicht mitgeteilt haben, sollten Sie in jedem Fall vorweg anwaltlichen Rat einholen, insbesondere für den Tätigkeitszeitraum vor dem 01.01.2023. Wird Ihre künstlerische Tätigkeit nämlich rückwirkend von der KSK als nicht-künstlerisch (d.h. gewerblich) eingestuft, haben Sie faktisch gewerbliche Nebeneinkünfte erzielt, was zu hohen Nachzahlungen führen kann. Details hierzu finden Sie in diesem Blogbeitrag.

7. Rentenversicherungspflicht von „Business Artists“ 

Stellt die KSK schlussendlich fest, dass Sie keiner künstlerischen Tätigkeit nachgehen, sind Sie als „normaler“ Selbstständiger zu behandeln.

Auch hier müssen Sie zunächst sicherstellen, dass Sie alle Selbstständigkeitskriterien erfüllen, d.h. nicht unter einer Scheinselbstständigkeit arbeiten.

Wenn dem so ist, dann sollten Sie wissen, dass Online-Coaches, Trainer, Berater, Keynote Speaker und digitale Wissensvermittler unter Umständen der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI  unterfallen können.  

Wichtig! Falls Sie der Rentenversicherungspflicht unterliegen, haften nur Sie allein für nicht abgeführte Rentenversicherungsbeiträge. Ihr Auftraggeber hat damit nichts zu tun, denn hierbei geht es nicht um die Frage der Scheinselbstständigkeit.

In diesem Beitrag finden Sie eine ausführliche Erläuterung, wann kreative digitale Wissensvermittler, die nicht Mitglied in der KSK sind, trotzdem unter die gesetzliche Rentenversicherungspflicht fallen.

8. Sie brauchen rechtliche Unterstützung oder Sie sind Steuerberater/in?

Das sagen Mandanten über meine Arbeit auf anwalt.de und Google.

Sie sind Steuerberater/in und benötigen fachliche Unterstützung zu Rechtsfragen des Künstlersozialversicherungsgesetzes? Kontaktieren Sie mich gerne! Ich freue mich immer über den fachlichen Austausch und bin auch immer an der Erweiterung meines Steuerberaternetzwerkes interessiert!

Um meine Mandanten optimal betreuen zu können, vernetze ich mich gerne mit Steuerberatern, die die steuerlichen Deklarationspflichten für meine Mandantschaft übernehmen können und Interesse an einem fachlichen Austausch haben.

Ihre Rechtsanwältin
Romy Graske