Corona-Lockdown I Ein erster Öffnungs-Lichtblick kommt aus dem Saarland!
Kurz nachdem so langsam Geschäfte wieder öffnen dürfen, kommt schon wieder der nächste Ruf nach Schließungen – die Notbremse soll gezogen werden.
Zur gleichen Zeit gibt es für kleine und mittelständische Unternehmen, die einen Einzelhandel oder Ladenlokale betreiben endlich einen ersten Lichtblick und dieser kommt aus dem Saarland.
Das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat in seinem Beschluss vom 09.03.2021 entschieden, dass eine Klausel in der Corona-Verordnung des Saarlandes vorläufig außer Vollzug gesetzt wird, nämlich bis das Gericht im Hauptsacheverfahren (sog. Normenkontrollverfahren) eine endgültige Entscheidung über deren Rechtmäßigkeit getroffen hat.
1. Was bedeutet der Beschluss des OVG des Saarlandes?
Geklagt hatte ein Einzelhandelsunternehmen für IT-Technik, ein Computergeschäft. Die Corona-Verordnung hat die Schließung des Einzelhandels und von Ladenlokalen zwar angeordnet (bzw. vielmehr aufrechterhalten). Allerdings mit der Ausnahme, dass der Einzelhandel und Ladenlokale dann öffnen dürfen, wenn nach vorheriger Vereinbarung Termine für einen fest begrenzten Zeitraum vergeben werden (sog. Click and Meet) und sie nur einem Kunden pro 40 Quadratmeter den Zutritt gewähren.
Das OVG Saarland hat im Eilverfahren nun entschieden, dass dieses Betriebsverbot und die Öffnung unter diesen Einschränkungen das Einzelhandelsunternehmen sehr wahrscheinlich in seinem Grundrecht auf Freiheit der unternehmerischen Betätigung (Art. 12 GG) verletzt, weil der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht mehr gewahrt sei und auch eine Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgebotes nach Art. 3 Abs. 1 GG sehr wahrscheinlich anzunehmen sei.
2. Die wichtigsten Kernaussagen des OVG des Saarlandes
Der Beschluss ist ein Hoffnungsschimmer in Richtung Öffnung für kleine und mittelständische Betriebe!
Das Gericht sieht (endlich) eine Ungleichbehandlung darin, dass beispielsweise eine Buchhandlung geöffnet haben darf, ein Computergeschäft (wie das klagende Einzelhandelsunternehmen) hingegen nicht bzw. nur mit schwereren Einschränkungen, wenn beide die bekannten Hygieneschutzmaßnahmen einhalten.
Das Gericht geht in dem Beschluss sogar davon aus, dass durch die aufrechterhaltene Betriebsschließung und die Öffnung mit den o.g. Einschränkungen die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Recht auf Eigentum und Gewerbebetrieb (Art. 14 GG) sehr wahrscheinlich verletzt sein könnten.
Denn durch die fortdauernden Schließungen oder Öffnungen mit deutlichen Einschränkungen erleiden gerade kleinere Einzelhandelsgeschäfte mit speziellem Warensortiment einen mit zunehmender Dauer existenzbedrohenden Schaden.
Damit erkennt das Gericht (endlich) an, dass die durch den Lockdown drohende Zerstörung von beruflichen Existenzen nicht mehr als Kollateralschaden hinzunehmen ist im Rahmen der (vorläufigen) Verhältnismäßigkeitsprüfung – jedenfalls dann nicht, wenn keine höhere Infektionsgefahr von diesen Geschäften ausgeht als von denjenigen, die ohnehin bereits geöffnet haben (wie z.B. Buchläden).
Das Gericht schließt mit dem – für viele Unternehmen – wohl schon lang ersehnten Satz:
„Im Ergebnis spricht daher einiges dafür, dass die auch in ihrer Dauer zu bewertenden Eingriffe in die genannten Grundrechte der Antragstellerin vor dem Hintergrund der aktuellen „Corona-Lage“ im Saarland zumindest ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit unterliegen.“ (S. 19).
3. Ausblick – Was bedeutet das für Sie?
Dieser Beschluss im Eilverfahren zeigt, es bewegt sich endlich etwas in der Rechtsprechung. Die wenn auch nur vorläufige Verhältnismäßigkeitsprüfung des Gerichts fällt nicht mehr nur ausschließlich „zu Gunsten“ des Infektionsschutzes aus, sondern berücksichtigt endlich (!), dass die Betriebsschließungen existenzbedrohend sind. Die ausführliche und sehr interessante Beschlussbegründung finden Sie hier. Die Landesregierung des Saarlandes hat daraufhin auch erfreulicherweise reagiert und bestätigt, dass diese Klausel nicht mehr „geltendes Recht“ ist.
Wenn sich Ihr Betrieb in einem anderen Bundesland befindet und ebenfalls von den Schließungen oder Öffnungen unter erheblichen Einschränkungen betroffen ist, gibt es endlich Grund zur Annahme das Eilverfahren und Hauptverfahren wieder Aussicht auf Erfolg haben könnten. Denn wenn ein Obergericht ersteinmal einzelne Lockdown-Maßnahmen beginnt anzuzweifeln, ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass auch andere Obergerichte der (neuen) Argumentation folgen werden. Da im Eilverfahren die Hürden für eine vorläufige Außervollzugsetzung ganz besonderes hoch sind, ist dies ein Beschluss von sehr hoher Bedeutung für die weitere Entwicklung im politischen Umgang in der Corona-Pandemie.