Ein ausländischer Arbeitgeber beschäftigt Arbeitnehmer in Deutschland | 

12 Dez 2019 | Rechtsblog

Welche lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers ergeben sich daraus? 

I. Problemaufriss – Arbeitnehmer über Ländergrenzen hinweg anstellen

Die Digitalisierung der Arbeitswelt stellt gerade kleine und mittelständische Unternehmen vor immer größere rechtliche Herausforderungen, denn: Was früher nur Großkonzernen vorbehalten war, kann heute schon jedes Kind. Gemeint ist damit der Verkauf von eigenen Produkten und Dienstleistungen weltweit. Oftmals braucht es dazu nur noch einen Laptop und eine ausreichend starke Internetverbindung.

Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen sowie Start-Ups hat das den Charme, sich Arbeitskräfte über Ländergrenzen hinweg aussuchen zu können. So ist es bei Start-Ups und aufstrebenden Digitalunternehmen keine Seltenheit mehr, dass Arbeitnehmer oder Freelancer aus aller Herren Länder beschäftigt werden.

Das hat für diese Unternehmen aber auch einen entscheidenden Nachteil: Die Rechtsfragen werden immer komplexer, doch verfügen diese Unternehmen nicht über ganze Rechtsabteilungen in den einzelnen Ländern wie es bei Großkonzernen der Fall ist.

Ein aktuelles Beispiel aus meiner Praxis:

Ein ausländisches Unternehmen möchte in Deutschland zwei Mitarbeiter einstellen. Doch der damit verbundene Verwaltungsaufwand ist nicht zu unterschätzen und verlangt nach einer pragmatischen, im Sinne des Unternehmens wirtschaftlichen Lösung unter Wahrung aller gesetzlichen Vorschriften.

Die Einstellung von zwei Mitarbeitern in Deutschland durch einen ausländischen Arbeitgeber, der nicht in Deutschland geschäftsansässig ist, hat zur Folge:

II. Steuerliche Konsequenzen – Lohnsteuerabzug durch Arbeitgeber

Das ausländische Unternehmen müsste in Deutschland für die zwei Mitarbeiter das Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 38 EStG durchführen. Übersetzt heißt das: Auf den Lohn, den der ausländische Arbeitgeber an den in Deutschland lebenden und arbeitenden Arbeitnehmer zahlt, muss er Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland an das Finanzamt und die Sozialversicherungsträger abführen.

Dies aber nur, wenn es ein inländischer Arbeitgeber ist! Das ist er aber schon, wenn er nur eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 AO in Deutschland unterhält. Da die heutigen Digitalunternehmen bis dato kaum vorstellbare Geschäftsmodelle betreiben, wird sich Rechtsunsicherheit schon daraus ergeben, wann eine Betriebsstätte im Einzelfall vorliegt und wann nicht.

Die Konsequenz ist den rechtssichersten Weg zu gehen: Der ausländische Arbeitgeber führt den Lohnsteuerabzug durch und muss hierfür einen deutschen Steuerberater mit der Lohnbuchhaltung beauftragen. Bei nur wenigen Mitarbeitern ein nicht mehr ganz günstiges Unterfangen, vor allem wenn man in verschiedenen Ländern vereinzelt Personen anstellen möchte.

Hier ist die Streitfrage, ob der ausländische Arbeitgeber die Voraussetzungen des § 38 EStG erfüllt und als „inländischer Arbeitgeber“ im Sinne dieser Regelung gilt. Tut er dies nämlich nicht, hätte das zur Folge, dass die Mitarbeiter selbst im Rahmen der jährlichen Einkommensteuerveranlagung ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit erklären müssten. Hierüber wären die Mitarbeiter natürlich sorgfältig aufzuklären und deutlich darauf hinzuweisen.

In einem Land einen Steuerberater mit der Lohnbuchhaltung zu beauftragen ist sicher noch zu stemmen. Doch wenn das Unternehmen aus vielen verschiedenen Ländern immer einzelne Personen anstellen möchte (wegen ihrer besonderen Expertise in ihrer jeweiligen Nische) hat das zur Folge, dass das Unternehmen in jedem Land einen Steuerberater mit der entsprechenden Lohnbuchhaltung beauftragen müsste. Allein die Koordination mit den Beratern aus verschiedenen Ländern schafft einen eigenen Arbeitsplatz im Unternehmen!

Hieran zeigt sich deutlich, dass für solche kleinen und mittelständischen Unternehmen dieser Verwaltungsaufwand personell und wirtschaftlich kaum zu stemmen sein oder jedenfalls wieder zu einem Wettbewerbsnachteil führen wird.  

III. Sozialversicherungsrechtliche Konsequenzen

Neben der Lohnsteuer muss der Arbeitgeber auch Sozialversicherungsbeiträge abführen. Grundsätzlich sind Sozialversicherungsbeiträge in dem Land abzuführen, in welchem der Arbeitnehmer arbeitet (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009).Selbst in der einfachen Konstellation, dass der Arbeitnehmer sich weitestgehend in Deutschland aufhält und von zu Hause arbeitet stellen sich bereits komplexe sozialversicherungsrechtliche Fragen: Der ausländische Arbeitgeber muss die Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland ebenfalls über einen deutschen Steuerberater abführen.

Hier gibt es aber mittlerweile eine spannende Alternativlösung:

So können der ausländische Arbeitgeber und der in Deutschland wohnende und arbeitende Mitarbeiter eine Vereinbarung treffen, wonach der Arbeitnehmer die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten des Arbeitgebers übernimmt. Möglich macht dies die Regelung des Art. 21 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009.

Eine solche Mustervereinbarung hat die DVKA (Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland) erfreulicherweise auf ihrer Website zur Verfügung gestellt

Doch auch diese Lösung bleibt nicht ohne Risiken für den Arbeitgeber, denn: Führt der Arbeitnehmer die Beiträge entgegen der Vereinbarung nicht ab, kann der ausländische Arbeitgeber von den Sozialversicherungsträgern trotzdem in Haftung genommen werden gem. § 28 e SGB IV.

Will der Arbeitgeber also seine steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten auf den Arbeitnehmer nach dem oben beschriebenen gesetzlichen Möglichkeiten übertragen, müssen dennoch eine Reihe von Vereinbarungen und Schutzmaßnahmen für den Arbeitgeber getroffen werden, wenn sich der Arbeitnehmer nicht an die Vereinbarung hält. 

IV. Ein Gedanke für die Zukunft der digitalen Arbeitswelt 4.0: 

Wäre es nicht eine enorme Erleichterung für solche Unternehmen, wenn sie nur in einem Land (ihres Geschäftssitzes) innerhalb der EU die Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge abführen müssten und dann dieser Mitgliedstaat die Lohnsteuer auf die Mitgliedstaaten verteilt, wo die Arbeitnehmer arbeiten und leben? Dieses Verfahren müsste vergleichbar dem umsatzsteuerlichen MOSS-Verfahren innerhalb der EU ausgestaltet sein und würde es gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Start-Ups wesentlich erleichtern europaweit Menschen anzustellen.

Gleichzeitig könnten sich hierdurch positive Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme aller Mitgliedstaaten ergeben: Je einfacher es auch für kleine Unternehmen ist, Mitarbeiter europaweit anzustellen, desto geringer ist die Gefahr der Scheinselbstständigkeit. Das wiederum führt zu mehr Rechtssicherheit für die Unternehmen.

V. Zusammenfassend: Behalte den Gesamtüberblick! 

Die zunehmende Digitalisierung und Globalisierung der Arbeitswelt ist ein nicht zu unterschätzender Wachstumsfaktor für kleine und mittelständische Unternehmen.

Gleichzeitig verlangt dies von den Unternehmern und Mitarbeitern eine zunehmende Aufmerksamkeit und Wachsamkeit hinsichtlich zu beachtender rechtlicher Vorschriften in den verschiedenen Ländern. Der digitale Unternehmer von heute muss den Gesamtüberblick über sein Unternehmen behalten und zwar nicht nur in seinem eigenen Land, sondern in allen Ländern in denen er sich bewegt. Das ist kein leichtes Unterfangen!

Wie so oft befinden sich diese Unternehmen immer in einem Zwiespalt zwischen dem Finden einer pragmatischen, möglichst kostengünstigen Lösung und dem Einhalten der immer mehr zunehmenden gesetzlichen Vorschriften über Ländergrenzen hinweg.  

Die große, aber eben spannende Herausforderung für uns Rechtsanwälte in dieser Zeit ist es eine kluge Lösung zu finden, die den tatsächlichen Verhältnissen des Unternehmens gerecht wird. So verstehe ich meine Aufgabe als Unternehmensanwältin des digitalen Mittelstands.

Romy Graske

Romy Graske, Rechtsanwältin

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