thumb inso

I. Und plötzlich schreibt der Insolvenzverwalter

Hatten Sie schon einmal einen Kunden, der Sie für Ihre Leistungen oder Ihre Waren nicht bezahlte?

Höchstwahrscheinlich.

Der Kunde meldet sich wochen- oder monatelang nicht. Plötzlich taucht er wieder auf und bittet um eine Ratenzahlungsvereinbarung. Jeder der schon einmal seinem „Geld hinterherlaufen musste“ weiß, wie mühselig und kostenintensiv die Forderungseintreibung sein kann und dass der „Zahlungserfolg“ keineswegs gesichert ist.

Da liegt es nahe, mit seinem Kunden eine Zahlungsvereinbarung zu treffen, in welcher Sie und Ihr Kunde eine Ratenzahlung und eventuelle Stundungen vereinbaren.

Doch wussten Sie, dass die Zahlungen, die Sie von Ihrem Kunden erhalten, später von einem Insolvenzverwalter zurückverlangt werden können, wenn über das Vermögen Ihres Kunden das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist?

 

II. Das insolvenzrechtliche Anfechtungsrecht

 

Grund hierfür ist das Insolvenzrecht, genauer gesagt, die Insolvenzanfechtung (§§ 129 -147 InsO). Es ist ein komplexes, schwer zugängliches Rechtsgebiet, kann aber für mittelständische Unternehmen große finanzielle Auswirkungen haben.

 

Angenommen Sie erzielen den Großteil Ihres Umsatzes nur von 2 bis 3 Kunden.  Einer dieser Kunden bekommt Liquiditätsprobleme und bezahlt Ihre Rechnungen nicht mehr pünktlich oder gar nicht. Er meldet sich nicht und Sie wissen nicht was vor sich geht. Die Vermutung liegt aber nahe, dass er Zahlungsschwierigkeiten hat.

 

Da der Kunde für Ihr Unternehmen sehr wichtig ist (und vielleicht sogar Ihre Liquidität von diesem Kunden nicht unerheblich abhängt), sind Sie daher schnell bereit mit ihm eine Ratenzahlungsvereinbarung zu treffen, wenn er auf Sie zukommt.

 

Der Vorteil für beide Seiten liegt auf der Hand: Der Schuldner bekommt einen Zahlungsaufschub. Sie hoffen, dass er seine Liquiditätsschwierigkeiten in den Griff bekommt, damit Sie ihn nicht als zahlungskräftigen Kunden verlieren.

 

Das Problem: Sobald für Sie erkennbar ist, dass der Kunde zahlungsunfähig ist, können die Zahlungen die Sie in diesem Zeitpunkt erhalten, später von einem Insolvenzverwalter zurückgefordert werden, wenn über das Vermögen Ihres Kunden später das Insolvenzverfahren eröffnet wird.

 

Dies führte in der Vergangenheit immer mehr dazu, dass Gläubiger davor scheuten, eine Ratenzahlungsvereinbarung mit ihren Kunden zu treffen, weil sie befürchten mussten, dass das Geld welches sie erhalten, sie später wieder zurückzahlen müssen.

Die Folge: Ein Unternehmen, das vielleicht nur vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten hat, wird so schneller von ihren eigenen Gläubigern in die Insolvenz manövriert, ohne das sich das Unternehmen wieder erholen kann. 

Vor allem die spätere gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Insolvenzverwalter war (und ist) ein enormes Risiko für mittelständische Unternehmen. Da es meistens um hohe Forderungen geht sind allein schon die Anwalts- und Gerichtskosten ein Risiko für Sie als Auftragnehmer. Eine höchst unbefriedigende Situation, die eigentlich solide aufgestellte mittelständische Unternehmen, selbst in Liquiditätsengpässe manövrieren kann.

 

III. Der Gesetzgeber reagierte hierauf im Jahr 2017 mit einer Reform

 

Um dieser ausufernden Praxis der Insolvenzverwalter (gestützt auf die sehr weitgehende BGH-Rechtsprechung in dieser Frage) entgegenzutreten, hat der Gesetzgeber im Rahmen einer Reform im Jahr 2017 konkret eine Regelung für Zahlungserleichterungen, wie Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen im § 133 Abs. 3 Satz 2 Insolvenzordnung.

 

Die Gesetzesbegründung ist äußerst lesenswert und erklärt in verständlicher Weise, was der Gesetzgeber mit dieser neuen Regelung beabsichtigt hat: Hier geht es zur Gesetzesbegründung (siehe Seite 18, 19).

 

Die neue Regelung besagt:

 

Hatte der Gläubiger mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen, so wird vermutet, dass im Zeitpunkt des Abschlusses der Ratenzahlungsvereinbarung der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit (nicht nur die drohende Zahlungsunfähigkeit) des Schuldners nicht kannte.

 

Zukünftig kann der Gläubiger seinem Schuldner also eine Überbrückungsfinanzierung in Form einer Ratenzahlungsvereinbarung gewähren, ohne dass ihm hierdurch unterstellt wird, er habe von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gewusst.

 

Das Problem: Diese Gesetzesbegründung zeigt zugleich, wie fließend der Übergang ist von – der Gläubiger hatte keine Kenntnis über die Zahlungsunfähigkeit seines Schuldners bis hin zu – er hatte Kenntnis. Welche konkreten Umstände führen also dazu, dass der Gläubiger eben wusste, dass sein Schuldner bereits zahlungsunfähig ist?

Beispielsweise, wenn sich der Schuldner nicht an die Ratenzahlungsvereinbarung hält oder etwa mit neu entstandenen Forderungen in erheblichen Zahlungsrückstand gerät, so die Gesetzesbegründung.

Doch genau diese Frage, ob die jeweiligen Umstände in Ihrem konkreten Einzelfall nicht doch dazu führen, dass Sie gewusst haben mussten, dass Ihr Schuldner bereits zahlungsunfähig war, macht das Insolvenzanfechtungsrecht so unberechenbar.

Kann der Insolvenzverwalter später im Gerichtsverfahren die Kenntnis des Gläubigers, (also Ihre Kenntnis als Auftragnehmer!) nachweisen (z.B. durch E-Mails, Schriftverkehr, offene Rechnungen), müssen Sie die erhaltenen Beträge an den Insolvenzverwalter zurückzahlen.

 

IV. Was kann ich als Auftragnehmer tun?

 

Ganz praktisch sollten Sie zunächst darauf achten:

  • Sorgen Sie in Ihrem Unternehmen dafür, dass Sie niemals nur von einigen wenigen Auftraggebern abhängig sind.
  • Wenn Sie die Befürchtung haben, dass Ihr Auftraggeber ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten hat, sollten Sie sich bewusst machen, dass bis 4 Jahre zurückliegend, Zahlungen zurückgefordert werden können. Das heißt nicht, dass Sie jede gefährdete Zahlung sicherheitshalber „zur Seite“ legen sollten. Aber auch dies ist ein gutes Beispiel dafür, weshalb Unternehmen (wie auch Freiberufler/Freelancer!) immer eine ausreichend hohe Rücklage (Eigenkapital) haben sollten, um solche Rückforderungen abfedern zu können, damit Sie nicht selbst in eine Zahlungsunfähigkeit rutschen.
  • Besondere Vorsicht ist geboten bei schriftlichen Äußerungen gegenüber Ihrem Kunden/Schuldner. Alles was schriftlich dokumentiert ist, kann der Insolvenzverwalter später dazu nutzen, um Ihnen vorzuhalten, Sie hätten von der Zahlungsunfähigkeit gewusst. Hier gilt wie so oft im Leben: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!

 

Aus juristischer Sicht gibt es Möglichkeiten Vereinbarungen zu treffen, um einer möglichen Anfechtung vorzubeugen.

Hier kommt es aber auf zahlreiche Umstände des Einzelfalles an, die individuell geprüft werden müssen. Gerade wenn es sich um größere Beträge handelt, empfiehlt sich die Beauftragung eines Rechtsanwalts frühzeitig.

In jedem Fall gilt: Bewahren Sie einen kühlen Kopf und vermeiden Sie unüberlegte Äußerungen jeglicher Art oder gar schriftliche Androhungen von Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber Ihrem Schuldner.

 

V. Ausblick

 

Das Insolvenzanfechtungsrecht zu verteufeln, würde dem gesetzgeberischen Gedanken dahinter nicht gerecht werden.

 

Es geht darum, dass alle Gläubiger in etwa gleichmäßig vom Schuldner bedient werden. Einzelne Gläubiger sollen nicht vom Schuldner bevorteilt werden, sodass andere Gläubiger komplett „leer“ ausgehen.

 

Die Grenzen zwischen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung und einem Entgegenkommen des Schuldners wie es unter langjährigen Geschäftspartnern üblich und auch richtig ist, damit der Schuldner weiterhin wirtschaften kann, sind aber fließend. Die gesetzlichen Regelungen bilden den abstrakt gehaltenen Rahmen, die Rechtsprechung füllt diesen Rahmen mit Einzelfallentscheidungen. Das führt zu Rechtsunsicherheit für die Unternehmen und ist auch der Grund warum Rechtsanwälte oft keine 100%-sicheren Lösungen anbieten können.

 

Um hier so exakt wie möglich eine rechtliche Prognose als Rechtsanwalt vornehmen zu können, muss der Sachverhalt ganz genau aufgeklärt werden zwischen Gläubiger und seinem Anwalt. Das macht die Rechtsberatung in diesem Bereich auch kostenintensiv (siehe hierzu unser YouTube Video: Wie spare ich Geld bei meinem Rechtsanwalt?).

 

Je früher Sie sich der Problematik bewusst werden und Vorsorgemaßnahmen treffen, desto „günstiger“ können Sie diesem Problem entkommen oder zumindest vorbeugen.   

Zurück zur Übersicht