Freelancer mit ausländischem Auftraggeber I Solo-Selbstständigkeit & Scheinselbstständigkeit
Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an digitalen Berufen die „nur“ mittels Laptop, einer starken Internetverbindung und einem klugen Kopf von überall aus ausgeführt werden können. Oftmals sind es digital-künstlerisch tätige Freiberufler oder digital-technische Berufe wie Softwareentwickler, Datenanalysten, Ingenieure als selbstständige Gewerbetreibende.
Die Vielfalt an „remote“-Berufen in der Digitalbranche ist für mich faszinierend und regelmäßig lerne ich neue Mandanten kennen in mir noch gänzlich unbekannten Berufsfeldern.
I. Auftraggeber im Ausland
Seit mehreren Jahren begegnet mir dabei ein sehr häufiges Phänomen: Auftraggeber aus Drittstaaten beauftragen Freelancer in Deutschland. Insbesondere Digitalunternehmen aus dem Silicon Valley, Kanada, aber auch aus Asien oder der EU bieten attraktive Aufträge oder Jobs für Fachkräfte in Deutschland an.
Die Vorteile für alle Parteien liegen auf der Hand:
- die Unternehmen können auf spezialisierte Fachkräfte aus der ganzen Welt zurückgreifen
- hochspezialisierte Fachkräfte in Deutschland sind, obwohl sie in Deutschland leben und arbeiten wollen, nicht mehr auf den deutschen Markt begrenzt, sondern können Kunden aus der ganzen Welt akquirieren
II. Wo liegt das Rechtsproblem? – In der Solo-Selbstständigkeit
Spätestens wenn die Unternehmen der Fachkraft einen Beratungsvertrag (für freie Mitarbeiter) vorlegen, stellen sich die Freelancer die Frage, was der Vertrag rechtlich für sie bedeutet und welche steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten nun auf sie zukommen.
Einen umfassenden Überblick, welche Rechtsfragen sich ergeben, wenn ein Freelancer mit Wohn- und Arbeitsort in Deutschland für einen ausländischen Auftraggeber tätig ist, habe ich bereits in diesem Blogbeitrag gegeben. Dort bin ich auf die arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Implikationen eingegangen.
In diesem Beitrag möchte ich noch einmal einen vertiefenden Einblick in die Problematik der sozialversicherungsrechtlichen Solo-Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit geben.
Das Problem besteht nämlich oftmals darin, dass die ausländischen Auftraggeber aufgrund ihrer Marktmacht den inländischen Auftragnehmern die wesentlichen Vertragsbedingungen diktieren. Nun ist das kein neues Phänomen und liegt in der Natur der Sache des „stärkeren“ Vertragspartners.
Allerdings arbeiten die deutschen Freelancer auf Projektbasis teilweise in Vollzeit ausschließlich und zeitweise nur für diesen einen ausländischen Auftraggeber. Es stellt sich also die Frage der Solo-Selbstständigkeit und das Risiko der Scheinselbstständigkeit.
Eine (aus Vorsichtsgründen mögliche) Anstellung als Arbeitnehmer kommt für die ausländischen Auftraggeber oftmals nicht in Betracht, weil der administrative Aufwand in Deutschland sehr hoch und komplex ist (einen groben Überblick für ausländische Arbeitgeber, die Arbeitnehmer in Deutschland anstellen wollen habe ich schon einmal in diesem Blogbeitrag gegeben). Da die Unternehmen im Ausland auf einen weltweiten (!) Fachkräftepool zurückgreifen können, werden sie sich im Zweifel für die Fachkraft entscheiden, mit der der administrative Aufwand am geringsten ist und das Projekt möglichst zügig und komplikationslos umgesetzt werden kann.
Die Folge ist: Die deutsche Fachkraft wird sich darum bemühen (müssen) den Auftrag zu erhalten, indem sie den gesamten administrativen Aufwand übernimmt, um im internationalen Wettbewerb der freiberuflichen Fachkräfte mithalten zu können.
III. Solo-Selbstständigkeit und Scheinselbstständigkeit bei ausländischen Auftraggebern
1. Solo-Selbstständigkeit
Arbeitet der Freelancer für ein konkretes Projekt im Wesentlichen nur für diesen einen ausländischen Auftraggeber wird der Freelancer Solo-Selbstständig sein.
In sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht ergibt sich dadurch folgende Verpflichtung gemäß:
„S. 1 Versicherungspflichtig sind selbständig tätige
(…)
- Personen,
a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind; bei Gesellschaftern gelten als Auftraggeber die Auftraggeber der Gesellschaft.“
Freelancer mit auf Dauer und im Wesentlichen nur einem Auftraggeber müssen daher Rentenversicherungsbeiträge abführen!
Der Solo-Selbstständige muss sich innerhalb von 3 Monaten nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) melden und die Rentenversicherungsbeiträge abführen gem. § 190a Abs. 1 S. 1 SGB VI. Wird dies unterlassen, kann die DRV später hohe Nachzahlungen von rückständigen (bisher nicht abgeführten) Rentenversicherungsbeiträgen fordern, weil die Versicherungspflicht durch die unterbliebene Meldung erst verspätet durch die DRV festgestellt werden konnte. Der aktuelle RV-Beitragssatz beträgt 18,6 % auf den Gewinn (bis zur Beitragsbemessungsgrenze)!
Wer vorsätzlich oder leichtfertig der Meldepflicht nicht nachkommt, dem kann die DRV darüber hinaus auch ein Bußgeld auferlegen.
Hinweis: In Grenzfällen, in denen für die Solo-Selbstständigen gerade nicht eindeutig bestimmbar ist, ob sie unter die Rentenversicherungspflicht (nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI) fallen oder nicht, muss im Zweifel immer eine Meldung an die DRV vorgenommen werden! Für Existenzgründer in den ersten 3 Jahren gibt es aber die Möglichkeit eine Befreiung zu beantragen oder nur einen reduzierten RV-Beitrag abzuführen.
2. Was können Sie tun und wann ist es sinnvoll einen Rechtsanwalt zu beauftragen?
- Wenn Sie die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht (§ 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI) ganz klar erfüllen, dann nutzen Sie die Formulare der DRV und melden sich entsprechend an (Formular V0020 der DRV).
- Nicht selten kommt es aber auch vor, dass Selbstständige erst im Laufe der Jahre unter die Versicherungspflicht fallen, ohne dies zu bemerken, weil sie beispielsweise nur noch für wenige oder einen Auftraggeber arbeiten, während sie zu Beginn ihrer selbstständigen Tätigkeit noch mehrere Auftraggeber hatten. Denkbar ist auch, dass den Freelancern die Rentenversicherungspflicht schlichtweg nicht bekannt war. In solchen Fällen kann es durchaus sinnvoll sein, vor der Meldung an die DRV anwaltliche Beratung einzuholen über die möglichen Konsequenzen und um hohe Nachforderungen sowie ein Bußgeld zu vermeiden! Die verschiedenen Formulare der DRV zur Rentenversicherungspflicht von Selbstständigen sind komplex und wer hier missverständliche Angaben macht, dem können Nachforderungen drohen, obwohl diese womöglich gar nicht gerechtfertigt sind.
- Auch in den Grenzfällen, bei denen nicht ohne Weiteres so klar ist, ob Sie die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht erfüllen oder nicht, ist es sinnvoll, dies zuvor anwaltlich prüfen zu lassen. Die DRV behält auch hierfür entsprechende Formulare vor (V0023, Antrag auf Befreiung V0050). Allerdings wird die DRV auch ein natürliches Interesse daran haben, die Rentenversicherungspflicht in Grenzfällen eher zu bejahen als zu verneinen, weil es schlichtweg zu wenig Beitragszahler in der Rentenkasse gibt, aus den bekannten gesellschafts-politischen Gründen.
Wichtiger Hinweis für alle künstlerisch-kreativen Berufe! Jeder Freelancer der künstlerisch-kreativ tätig ist, sollte zuvor unbedingt prüfen, ob er nicht in die Künstlersozialkasse aufgenommen werden kann! Denn das bringt ganz erhebliche finanzielle Vorteile mit sich!
Gerade unter Solo-Selbstständigen, die in kreativ-digitalen Berufen tätig sind, ist das System der Künstlersozialkasse oftmals noch unbekannt, weil viele davon ausgehen, nur Musiker und Schauspieler („die klassischen Künstler“) hätten Anspruch darauf in der KSK Mitglied zu werden.
Zurzeit entwickeln sich aber viele neue digital-künstlerische Berufe (z.B. Interfacedesigner, Grafikdesigner, Creative Producer), die ebenso unter die KSK-Pflicht fallen können. Mitglied in der KSK zu sein bedeutet für Sie, einen ganz erheblichen finanziellen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen (nicht künstlerisch-tätigen) Selbstständigen zu erlangen!
3. Scheinselbstständigkeit
Von der Solo-Selbstständigkeit ist die Scheinselbstständigkeit zu unterscheiden. Die zuvor beschriebene Rentenversicherungspflicht von Solo-Selbstständigen nach § 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI setzt nämlich überhaupt voraus, dass der Freelancer auch tatsächlich selbstständig und nicht etwa scheinselbstständig ist.
Die Grenzen zwischen Solo-Selbstständigkeit und Scheinselbständigkeit sind aber derart fließend, dass hier nur im Einzelfall abgewogen werden kann, wie konkret vorgegangen werden sollte.
Grundsätzlich ist es immer möglich und ratsam das sog. sozialversicherungsrechtliche Statusfestellungsverfahren gem. § 7a SGB IV durchzuführen. Gerade bei Solo-Selbstständigen mit nur einem ausländischen Auftraggeber ist aber meine bisherige Erfahrung, dass die DRV sich hierfür bis zu einem Jahr (!!!) Bearbeitungszeit einräumt, was völlig praxisfern ist und weder den Auftraggebern noch Auftragnehmern weiterhilft, um Rechtssicherheit zu erlangen.
Hier sollte im individuellen Einzelfall nach detaillierter Prüfung des Sachverhalts mit einem Rechtsanwalt abgeklärt werden, wie hier schnellstmöglich ein in der Praxis umsetzbares Ergebnis herbeigeführt werden kann!
IV. Sie suchen rechtliche Unterstützung?
Ich habe mich als Rechtsanwältin auf das grenzüberschreitende mobile Arbeiten sowie das Künstlersozialversicherungsgesetz spezialisiert, weil ich davon überzeugt bin, dass das mobile Arbeiten nicht an rechtlichen Hürden scheitern darf.
Daher unterstütze ich kleine und mittelständische Unternehmen sowie Expats, Freiberufler, Gewerbetreibende, Künstler und Arbeitnehmer bei ihrem Vorhaben mobil zu arbeiten.
Sie benötigen hierfür Unterstützung? Schreiben Sie mir gerne eine detaillierte Email mit Ihrem Vorhaben!
Auf meinem Blog finden Sie viele Beiträge rund um das Thema grenzüberschreitendes mobiles Arbeiten (sog. Global Mobility Services) sowie zur Künstlersozialkasse.
Das sagen Mandanten über meine Arbeit.
V. Sie sind Steuerberater?
Sie sind als Steuerberater/in im Bereich des internationalen Steuerrechts tätig? Kontaktieren Sie mich gerne!
Um meine Mandanten optimal betreuen zu können, vernetze ich mich gerne mit Steuerberatern, die die steuerlichen Deklarationspflichten für meine Mandantschaft übernehmen können und Interesse an einem fachlichen Austausch haben.
Ich freue mich über Ihre Kontaktaufnahme!
Ihre Rechtsanwältin
Romy Graske