Welches Arbeitsrecht gilt bei ausländischem Arbeitgeber aus den USA?
Ein Arbeitgeber aus den USA möchte eine Fachkraft in Deutschland beschäftigen, entweder als selbstständigen Freelancer (sog. „Contractor“) oder als angestellten Arbeitnehmer.
In diesem Blogbeitrag möchte ich Ihnen einen Überblick geben, welches Arbeitsrecht gilt, wenn der US-Arbeitgeber einen in Deutschland lebenden und arbeitenden Mitarbeiter anstellen möchte.
1. Ausländischer Arbeitgeber in den USA, Arbeitnehmer im Home-Office in Deutschland, US-Arbeitsrecht wird vereinbart
Nach meiner Erfahrung möchten die ausländischen Arbeitgeber keinen Arbeitsvertrag nach deutschem Recht aufsetzen, weil sie mit dem deutschen Arbeitsrecht natürlich nicht vertraut sind und auch keine internen Ressourcen haben (wie Personal- oder Rechtsabteilung), die sich mit dem deutschen Arbeitsrecht vertraut machen könnten. Das ist häufig ein Grund, warum sie vor einer Direktanstellung (Blogbeitrag) auch zurückschrecken und die Fachkräfte vorzugsweise als Freelancer (Blogbeitrag) beauftragen.
Sofern die Fachkraft doch direkt angestellt werden soll, bestehen die ausländischen Auftraggeber dann jedenfalls auf einen Arbeitsvertrag, welcher der ausländischen Rechtsordnung unterliegt, hier also dem US-Arbeitsrecht. Anhand dieser Fallkonstellation möchte ich daher nachfolgend die Rechtslage einmal erläutern:
2. Ist das anwendbare Arbeitsrecht frei wählbar?
Grundsätzlich ist es zulässig, dass die Parteien (also Arbeitgeber und Arbeitnehmer) das für sie anwendbare Arbeitsrecht frei wählen. Sie müssen sich also nicht für das deutsche Arbeitsrecht entscheiden, sondern können genauso gut im Arbeitsvertrag vereinbaren, dass US-Recht zur Anwendung kommen soll.
Dies ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 ROM I-VO. Diese Vorschrift findet auch Anwendung, wenn der Arbeitgeber nicht in einem Mitgliedstaat der EU ansässig ist, sondern in einem Drittstaat, wie beispielsweise in den USA.
3. Das anwendbare Arbeitsrecht ist frei wählbar, ABER mit Einschränkungen
Hinweis! Auch wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer US-Arbeitsrecht wählen, können trotzdem teilweise deutsche Arbeitnehmerschutzvorschriften zur Anwendung kommen!
Das ergibt sich aus Art. 8 Abs. 1 S. 2 ROM I-VO. Vereinfacht ausgedrückt heißt das, auch wenn US-Recht auf den konkreten Arbeitsvertrag Anwendung findet, gelten für den in Deutschland arbeitenden Arbeitnehmer vereinzelt deutsche Arbeitnehmerschutzrechte, wenn diese einen höheren Schutz für den Arbeitnehmer bieten, als nach dem US-Recht (sog. Günstigkeitsvergleich). Durch die Wahl des anwendbaren Rechts (hier US-Recht) sollen nämlich nicht Arbeitnehmerschutzrechte umgangen werden, die dem in Deutschland lebenden und arbeitenden Mitarbeiter eigentlich zustehen würden.
Das hat zur Folge, dass solch ein Arbeitsvertrag im Ergebnis einem „Mischrecht“ unterliegt. Grundsätzlich unterliegt der Arbeitsvertrag US-amerikanischen Recht, vereinzelt kommen aber auch deutsche Arbeitnehmerschutzrechte zur Anwendung.
Problem: Leider gibt es keine einfache Übersicht, welche deutschen Arbeitnehmerschutzrechte zur Anwendung kommen und welche nicht.
Beispiel Kündigungsschutz: Es muss der Kündigungsschutz des jeweiligen US-Bundesstaats (dessen Recht gewählt werden soll) mit dem Kündigungsschutz in Deutschland verglichen werden. Wären die deutschen Kündigungsschutzvorschriften günstiger für den Arbeitnehmer, kann der US-Arbeitgeber nur nach diesen Vorschriften kündigen und nicht nach dem US-Kündigungsschutzrecht, obwohl die Parteien dies im Arbeitsvertrag eigentlich so vereinbart hatten.
Das muss für jedes in Frage stehende Arbeitnehmerschutzrecht einzeln geprüft werden. Gibt es zu dem in Frage stehenden Recht keine Rechtsprechung, bleibt uns Anwälten nur die Auslegung. Das ist der Grund, warum bei Erstellung eines solchen Arbeitsvertrags ein sehr hoher Arbeitsaufwand bei Rechtsanwälten entsteht und wir leider auch keine sichere Voraussage über die Bestandskraft der jeweiligen Vertragsklausel vor Gericht geben können.
Mein Praxistipp! Ich gehe deshalb lieber pragmatisch an solch eine Vertragserstellung heran: Die Parteien sollten im Vorfeld besprechen, welche Fragen für sie offen (bzw. unklar) sind, sich darüber einigen und diese Themen dann im Vertrag ausdrücklich regeln. Kommt es später zu einer beruflichen Trennung, ergibt sich bereits aus dem Vertrag, was die Parteien wollten und die Parteien streiten sich nicht langjährig und kostenintensiv vor Gericht. Oftmals wird es nämlich sehr schwer vorauszusagen sein, wie ein Gericht in solchen Einzelfällen entscheiden wird.
Weiterer Praxistipp! Um einen Arbeitsvertrag mit „Mischrecht“ zu verhindern wäre die einfache Lösung, der US-Arbeitgeber schließt mit dem Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag nach deutschem Recht ab. Das macht die Rechtslage für alle Parteien wesentlich einfacher und falls sie externe Rechtsberatung in Anspruch nehmen müssen, auch erheblich kostengünstiger (weil weniger komplex)!
4. Wann gilt zwingend (!) deutsches Arbeitsrecht für den Arbeitnehmer, der für einen US-Arbeitgeber arbeitet?
Unabhängig davon, welches Recht Arbeitgeber und Arbeitnehmer gewählt haben, gelten einzelne (!) deutsche Arbeitsrechtsvorschriften immer (gem. Art. 9 ROM I-VO sog. Eingriffsnormen).
Hierbei handelt es sich aber nicht um den zuvor beschriebenen Günstigkeitsvergleich. Vielmehr ist es zur Wahrung des öffentlichen Interesses des deutschen Staates (das sog. „öffentliche Gemeinwohlinteresse“) erforderlich, dass vereinzelt deutsche Arbeitsrechtsvorschriften (sog. Eingriffsnormen) Vorrang haben, auch wenn US-Arbeitsrecht vereinbart worden ist. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben diesbezüglich also gerade kein Wahlrecht.
Auch hier besteht wieder das Problem, dass es keine „Liste“ gibt, aus der sich ganz einfach ergibt, was Eingriffsnormen sind und was nicht. Ob eine deutsche Arbeitsrechtsvorschrift solch eine Eingriffsnorm i.S.d. Art. 9 ROM I-VO ist, muss durch Auslegung ermittelt werden, wenn es hierzu nicht bereits Rechtsprechung gibt.
Auch das macht die Rechtsberatung in der Praxis bei solchen Arbeitsverträgen sehr schwierig. Wann eine Arbeitsrechtsvorschrift im öffentlichen Interesse des deutschen Staates ist und wann nicht, darüber können Juristen vortrefflich streiten. Sie kennen den Ausspruch: Zwei Juristen – drei Meinungen…
Was heißt das nun konkret?
Zwei relevante Praxisbeispiele möchte ich Ihnen hier nennen:
Kein Lohnanspruch bei Feiertagen in Deutschland:
Der in Deutschland lebende und arbeitende Arbeitnehmer hat keinen Anspruch gegen seinen US-Arbeitgeber auf Lohnzahlung für gesetzliche Feiertage in Deutschland. Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich entschieden, dass § 2 EFZG keine Eingriffsnorm ist, weil die Entgeltlichkeit von gesetzlichen Feiertagen nicht im öffentlichen Interesse des deutschen Staates ist (BAG, Urteil 18. 4. 2012 − 10 AZR 200/11, NZA 2012, 1152, Tz. 15-17).
Anspruch auf Lohnfortzahlung gegen den US-Arbeitgeber bei Krankheit:
Erkrankt der Arbeitnehmer hingegen, ist der US-Arbeitgeber verpflichtet nach Maßgabe des § 3 EFZG Lohnfortzahlung für die ersten 6 Wochen an den Arbeitnehmer zu leisten, weil das BAG in § 3 EFZG hingegen eine Eingriffsnorm sieht, aber nur dann, wenn der Arbeitnehmer deutschem Sozialversicherungsrecht unterliegt. In diesem Fall ist es nämlich im öffentlichen Interesse des deutschen Staates, dass der § 3 EFZG zur Anwendung kommt, weil so die gesetzlichen Krankenkassen und mittelbar alle deutschen Beitragszahler entlastet werden (BAG, Urteil 18. 4. 2012 − 10 AZR 200/11, NZA 2012, 1152, Tz. 18-20).
5. Gerichtliche Durchsetzung
Unabhängig davon, für welches Recht sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer entscheiden, ist die alles entscheidende Frage am Ende jedoch: Wie setze ich meinen rechtlichen Anspruch eigentlich gerichtlich durch? Bei ausländischen Arbeitgebern aus Drittstaaten stellt dies rechtlich und vor allem rein praktisch die größte Herausforderung dar.
Daher ist meine pragmatische Empfehlung in solchen Fallkonstellationen:
- Vermeiden Sie gerichtliche Auseinandersetzungen,
- regeln Sie vielmehr die für Sie relevanten Themen frühzeitig und ausführlich im Arbeitsvertrag und
- gehen Sie nicht zu sehr in Vorleistung, um Ihren wirtschaftlichen Schaden im worst case möglichst gering zu halten.
6. Sie benötigen rechtliche Unterstützung?
Ich hoffe mit diesem Beitrag konnte ich Ihnen einen verständlichen Überblick geben, welche arbeitsrechtlichen Besonderheiten bei einem Arbeitsvertrag mit einem ausländischen Arbeitgeber (hier am Beispiel der USA) gelten.
Welche lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Folgen die Home-Office Tätigkeit von Deutschland aus für einen ausländischen Arbeitgeber haben, habe ich bereits hier geschildert.
Andere mögliche Rechtsformen der Zusammenarbeit habe ich einmal hier und hier beschrieben.
Ich hoffe, dieser Beitrag hat auch nachvollziehbar darlegen können, warum die Erstellung eines Arbeitsvertrags in grenzüberschreitenden Fällen von besonders hoher rechtlicher Komplexität ist und hierfür beispielsweise auch deutlich höhere Honorare in Rechnung gestellt werden, als bei der Erstellung eines standardisierten Arbeitsvertrages nach deutschem Recht.
Um gerade auch kleinen und mittelständischen Unternehmen die Anstellung von Fachkräften in Deutschland oder im umgekehrten Fall, im Ausland, zu ermöglichen, habe ich mich auf das grenzüberschreitende mobile Arbeiten spezialisiert. Mein Anspruch ist es,
- rechtskonforme Lösungen für meine Mandanten zu entwickeln,
- die pragmatisch umsetzbar sind und
- in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zur Anstellung des jeweiligen Mitarbeiters stehen.
Das sagen Mandanten über meine Arbeit auf anwalt.de und Google.
Sie möchten hierzu beraten werden?
Schreiben Sie mir gerne eine E-Mail und geben mir bei Ihrer ersten Anfrage folgende Informationen mit:
- In welchem Land sitzt der ausländische Arbeitgeber?
- Lebt und arbeitet der geplante Arbeitnehmer ausschließlich in Deutschland?
- Welche Tätigkeiten soll der Arbeitnehmer ausüben?
- Haben Sie sich bereits geeinigt, welchem Recht der Arbeitsvertrag unterliegen soll?
- Falls ein Arbeitsvertragsentwurf schon vorliegt, senden Sie mir diesen bitte direkt mit.
- Schreiben Sie mir bitte auch alle Ihre zusätzlichen Fragen, die Sie im Rahmen der Beratung beantwortet haben möchten.
So kann ich Ihnen direkt ein auf Sie abgestimmtes Angebot zukommen lassen, welche Kosten für die Rechtsberatung entstehen werden.
7. Sie sind Steuerberater/in?
Sie sind als Steuerberater/in im Bereich des internationalen Steuerrechts tätig? Kontaktieren Sie mich gerne!
Um meine Mandanten optimal betreuen zu können, vernetze ich mich gerne mit Steuerberatungskanzleien, die die steuerlichen Deklarationspflichten für meine Mandantschaft übernehmen können und Interesse an einem fachlichen Austausch haben.
Ich freue mich über Ihre Kontaktaufnahme!
Ihre Rechtsanwältin
Romy Graske