PROBLEME SCHAFFEN

„Probleme schaffen, nicht wegschaffen!“ Wussten Sie, dass das ein Mantra ist, welches Jura-Studenten auf das 1. juristische Staatsexamen vorbereitet?

Was im Jura-Studium die meisten Punkte erzielte, führt in der Praxis aber manchmal zur Verzweiflung bei Unternehmen. In diesem Blogbeitrag erklären wir – warum.

 

  1. Die Ausbildung im Jura-Studium – Probleme schaffen, nicht wegschaffen!

Studenten die sich auf das 1. juristische Staatsexamen vorbereiten besuchen häufig ein Jahr lang (oder auch durchaus länger) ein sog. Repetitorium. Das ist ein privat bezahlter Vorbereitungskurs, der die Studenten darauf vorbereitet, die juristischen Klausuren möglichst erfolgreich zu bestehen.

In diesem Kurs wird den Studenten nicht nur inhaltlich das Recht vermittelt, sondern auch die taktische Herangehensweise, wie der Student die meisten Punkte in den Klausuren erzielen kann.

Nicht selten wird die Existenz dieser privaten Vorbereitungskurse als Armutszeugnis für die Ausbildung an unseren Universitäten betrachtet, aber das ist ein anderes Thema.

Eines der wichtigsten Regeln, die der Student in diesen Vorbereitungskursen lernt ist – In Klausuren: Probleme schaffen, nicht wegschaffen! Sie hören es immer wieder, Tag für Tag, in ihrer mindestens einjährigen Vorbereitung auf das 1. Staatsexamen.

Dieses Mantra bedeutet: Je mehr der Student in seiner Ausarbeitung juristische Probleme aufgreift und diese überzeugend diskutiert, desto höher wird seine Punktezahl am Ende ausfallen. Hierzu muss man wissen: Ein Jura-Student bekommt in Klausuren immer einen Fall vorgelegt, den er in 5 Stunden lösen muss. Wer die meisten Rechtsprobleme aufgreift und für mehrere Ansichten überzeugende juristische Argumente liefert, erhält die höchste Punktezahl. Auf das Ergebnis kommt es nie an! Jedenfalls solange, wie sich die Argumentation innerhalb geltenden Rechts bewegt. Innerhalb des geltenden Rechts ist also alles vertretbar, die Note des Studenten hängt von dem Ergebnis nicht ab!

Hierdurch wird das Problembewusstsein von Jura-Studenten herausgebildet und extrem geschärft. Eines der wichtigsten Eigenschaften die ein Jurist braucht, um rechtliche Gefahren später zu erkennen. Aus meiner Sicht ist es auch eines der sinnvollsten Fähigkeiten, die einem das Jura-Studium vermittelt. Für diese Form der Ausbildung bin ich bis heute sehr dankbar, weil sie mich in vielen (auch nicht anwaltlichen) Lebenslagen vor Gefahren schützt.  

Doch wie sollte es anders sein: Was die größte Stärke eines Menschen ist, ist zugleich auch seine größte Schwäche.

 

  1. Die Praxis als Unternehmensanwalt – Probleme wegschaffen, nicht schaffen!

Kommt der gut ausgebildete Jurist dann in der echten Welt an (weit weit weg von der universitären Rechtswissenschaft) wird er schnell feststellen, dass das ihm „eingeprügelte“ Mantra nicht mehr gilt. Es gilt nun exakt das Gegenteil: Du musst Probleme wegschaffen und dabei vor allem wirtschaftlich sein!

Konkret bedeutet das: Ein Unternehmen kommt auf den Juristen zu und bittet ihn ein Rechtsproblem zu lösen. Doch anders als noch im Studium, ist das Ergebnis hier keinesfalls mehr irrelevant und eine der schwierigsten Herausforderungen kommt nun noch hinzu: Seine Arbeit muss sich wirtschaftlich für das Unternehmen „lohnen“, denn ein Unternehmen beauftragt keinen Rechtswissenschaftler, sondern einen Problemlöser.

Der rechtswissenschaftliche Theoretiker muss nun zum Unternehmer werden. Er muss Rechtsprobleme noch immer lösen, aber dabei eine Vielzahl von zusätzlichen Umständen in seine Problemlösung mit einbeziehen, wie beispielsweise:

  • Welche langfristigen Folgen hat meine rechtliche Entscheidung für das Unternehmen?
  • Kann durch meine rechtliche Maßnahme das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten geraten?
  • Steht meine Beratung (das heißt: das Anwaltshonorar) in einem angemessenen Verhältnis zu dem damit beabsichtigten Ziel des Unternehmens?

Diese Fragen klingen eher danach, als sollte sie ein „BWL-er“ beantworten müssen, aber nicht der Jurist. Aber nein: Diese Fragen muss ein Unternehmensanwalt immer auch im Blick haben. Denn tut er dies nicht, wird das Unternehmen ihm früher oder später vorwerfen, ein „Halsabschneider“ zu sein, weil er die wirtschaftlichen Unternehmensinteressen nicht im Blick behält.

Das richtige Maß zwischen Rechtsberatung und Wirtschaftlichkeit zu finden, ist eines der schwierigsten Aufgaben, die ein Unternehmensanwalt zu bewältigen hat, wenn er denn dem Unternehmen einen nachhaltigen Mehrwert bieten möchte. Es ist unser persönliches Ziel als Rechtsanwälte diesen Mehrwert zu liefern, aber ich kann Ihnen sagen, das ist nicht immer leicht umzusetzen.  

Als Anwalt könnte man es sich auch einfach machen, in dem man sagt: Ich schulde nur eine Dienstleistung, keinen Erfolg – ja, das ist rechtlich tatsächlich so – gemäß § 611 BGB. Der Anwalt berät und berät und berät …, was am Ende aber dabei herauskommt, spielt keine Rolle. Denn er schuldet ganz vereinfacht gesagt nur die Beratung, aber nicht den Erfolg seiner Beratung. Mit diesem Mantra werden Jura-Studenten ja schließlich ausgebildet: Diskutiere so viel wie möglich rechtliche Probleme in einer Klausur (also einem Fall), auf das Ergebnis aber kommt es nicht an. Sie werden jahrelang hierfür mit guten Noten belohnt.

Wundert es da, dass sich Anwälte in der Rechtspraxis dann bisweilen schwer damit tun, sich von Beginn an auf das Ergebnis zu fokussieren und nicht auf den Weg dorthin?

Ich denke nicht. Aber Einsicht ist der erste Weg zur Besserung, auch bei Rechtsanwälten.

Daher gilt ab dem Tag, an dem sich der Student von seiner Alma Mater verabschiedet:

Probleme wegschaffen, nicht schaffen!

Doch vielleicht können Sie durch diesen Blogbeitrag Ihren Anwalt zukünftig etwas besser verstehen, wenn Sie wieder einmal das Gefühl haben, nach jedem Gespräch mit Ihrem Anwalt haben Sie noch mehr Probleme als zuvor.

Es ist gewissermaßen eine im Studium antrainierte Berufskrankheit. Solange sie in gesundem Maße gelebt wird, schützt es Ihr Unternehmen vor langfristigen Rechtsproblemen. Nimmt sie aber überhand, müssen Sie einmal mit Ihrem Anwalt reden.

 

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